Die Blüten der Liebe
Wenn sich Gegensätze reimen: Sally Potters Film YES
Ein Film wie ein Gedicht – zum einen natürlich, weil die Leute darin in Versform reden, zum anderen wegen der Kameraarbeit von Alexei Rodionov, bei der es passieren kann, daß die Geste, mit der sich ein Mann in den Schoß seiner Geliebten sinken läßt, in einer so sanften Kamerafahrt aufgefangen wird, daß die Bewegungen wie ein Gleichklang wirken. Die Engländerin Sally Potter, die sich schon in ORLANDO und TANGO-FIEBER als formstrenge Regisseurin bewiesen hat, läßt also ihre Darsteller in jambischen Blankversen sprechen, was viel natürlicher klingt, als man vermuten würde. Denn die Schauspieler hatten die Anweisung, die Reime zu ignorieren und nur auf die Bedeutung ihrer Textpassagen zu achten. Der Schriftsteller John Berger, dem Potter einige Drehbuchentwürfe zum Lesen gegeben hatte, schrieb hinterher zu YES, es gehe in dem Film ja tatsächlich auch um das Reimen von Gegensätzen, auch in kultureller Hinsicht.
Da ist einerseits die amerikanische Wissenschaftlerin (Joan Allen), die mit ihrem Politikergatten (Sam Neill) eine lieblose Ehe in London führt, und andererseits der libanesische Koch (Simon Abkarian), der einst in Beirut als Arzt gearbeitet hat. Die Liebe bringt die beiden zusammen, ihre Hintergründe treiben sie wieder auseinander. Das alles inszeniert Potter in Kameraeinstellungen, die nach einer anderen Grammatik des Erzählens suchen, indem die Kamera wie eine eigene Figur agiert. Ihr Augenmerk gilt nicht immer den Personen, sondern schweift manchmal ab, um sich anderen Objekten im Raum zu widmen. Das funktioniert nicht immer und wirkt manchmal auch etwas gewollt, aber wenn die Liebenden sich in einem Park treffen und die Kamera lieber die Blüte der Bäume zeigt, als dem Paar an den Lippen zu hängen, wird auf anrührende Weise klar, daß Scheitern mitunter interessanter sein kann als Gelingen.
YES ist auch der Film von Joan Allen, die oft schon als vernachlässigte Ehefrau wie in PLEASANTVILLE, NIXON oder zuletzt AN DEINER SCHULTER zu kurz gekommen ist, aber hier endlich mal mit ihrer Mischung aus Klugheit und Scheu eine Geschichte dominieren darf. Es ist wunderbar anzusehen, wie sie verwirrt und befreit reagiert, wenn sie von einem jungen Mann angesprochen wird, während sie bei einem Empfang allein durch einen Saal streift. Wobei die schönsten Passagen jene sind, wo ihre geflüsterten Gedanken plötzlich das Gesagte überlagern, wenn sich Denken und Sprechen auf jene Weise ineinanderschieben, für die das Kino selten ein Ohr hat.
Sally Potter hat Liebe und Leid pfiffig gekontert mit einer Putzfrau (Shirley Henderson), die das Geschehen wie ein Chor begleitet, indem sie mit Blick in die Kamera Kommentare zum besten gibt. Am Ende ist sie es, die über dieser Geschichte die Augen schließt, als sei von ihr nur geträumt, was als glückliches Ende die Liebenden versöhnt.