10. Juli 1999 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Vampire

Wenn das Böse ans Licht kommt

Ein Film für Fans: JOHN CARPENTERS VAMPIRE spielt Lichtjahre von Transsylvanien entfernt

Der Film ist ein Schlachtfest. Nichts für empfindsame Gemüter. Das Eigenartige ist nur, daß immer dann, wenn Gewalt auch wirklich als Gewalt spürbar ist, die Leute sich mehr aufregen als wenn sie dem Zuschauer sozusagen untergejubelt wird, wie das in größeren Actionfilmen die Regel ist. Tatsache ist: Die Blutsauger müssen gejagt, das Böse muß ausgerottet werden – das wird auch nach amerikanischer Art ganz pragmatisch angegangen, ohne jede Hintergedanken. Und doch ist JOHN CARPENTERS VAMPIRE keine Vampirgeschichte im Genresinn, sondern erinnert eher ans große Büffeljagen im Westen. Der Film ist also jeder Jägergeschichte näher als der Welt von Bram Stoker.

Es geht um Profis, und schon deshalb ist Carpenter dem Action-Kino von Hawks verwandter als dem Horrorfilm, wo ständig Amateure beinahe mutwillig ihr Leben in Gefahr bringen. So ist ständig Bewegung in der Sache, ein irrwitziger Zug ist in diesem Film am Werk, den man im heutigen Effektkino gar nicht mehr gewohnt ist, weil zwischen den Explosionen nur noch wenige andere Attraktionen existieren. Dabei ist es noch nicht einmal die Geschichte selbst, die für so viel Bewegtheit sorgt, sondern das entschlossene, kundige Handeln der Vampirjäger, die Präzision ihrer Arbeit.

Es geht darum, das Böse aus dem Dunkel ans Tageslicht zu zerren. Dazu gehen die Jäger mit ihren Armbrüsten in die schattigen Häuser, um die erlegten Vampire dann mit der Seilwinde von einem Jeep ins Licht ziehen zu lassen, wo sie in Flammen aufgehen. Wie die Opfer sich winden und ins Leere beißen, wenn sie mal am Haken sind, das hat nichts Menschliches mehr, sondern erinnert auch eher an Großwildjagd – so wie der weite Himmel und die wüste Landschaft an der Grenze zu Mexiko, die wirklich Lichtjahre von Transsylvanien entfernt liegt.

John Carpenter, der seit ASSAULT oder HALLOWEEN und DIE KLAPPERSCHLANGE immer weiter an den Rand des amerikanischen Kinos gedrängt wurde, hat nichts von seiner mittlerweile fast altmodischen Direktheit verloren. Es gilt weiterhin: Du bist, was du tust. Wobei die Grenzen zwischen Gut und Böse in der Unerbittlichkeit, mit der sie ihren Kampf führen, leicht verwischen. Irgendwann spielt es keine Rolle mehr, wer auf welcher Seite steht – es geht nur noch um den schmutzigen Job, den irgendwer erledigen muß.

James Woods spielt den Vampirjäger, und sein Gegenspieler Thomas Ian Griffith ist ihm nicht nur äußerlich ähnlich. Als jahrhundertealter Meister der Vampire will er endlich die Weltherrschaft erlangen, indem er seine Leute gegen das Sonnenlicht immun macht. Dazu braucht er jedoch ein altes Kreuz, das den Seinen Unsterblichkeit verleihen soll. Die katholische Kirche wiederum versucht mit ihrem geheimen Vampirbeauftragten ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Aber bei Carpenter führt es nicht weit, wenn man sich auf solche theologischen Erwägungen einläßt. Auch die Kirche und besonders Kardinal Alba (Maximilian Schell) verfolgen Interessen, die mit dem Himmelreich wenig zu tun haben. Die Erlösung kommt jedenfalls nicht von oben.

John Carpenter ist wirklich einer der letzten Genre-Regisseure, wenn man mal davon ausgeht, daß die meisten großen Regisseure Hollywoods darin glänzten, die jeweiligen starren Regeln durch Variationen zu bereichern. Im heutigen Demoskopen-Kino der Familienunterhaltung haben die Genres beinahe schon ausgedient, weil kaum mehr jemand seine Zuschauerschaft aus freien Stücken beschränken möchte: Es muß immer alles für alle sein. John Carpenter macht hingegen ein Kino für die wenigen, für jene Fans, die schon immer der Bodensatz des Kinos waren.

Es gibt in VAMPIRE eine Ruhe und Klarheit der Bewegungen, eine topographische Übersicht, die dem Kino der großen Effekte abhanden gekommen ist, weil eine Sensation die nächste jagen muß. In einer Eloge von Kent Jones, die in der diesmal Carpenter gewidmeten Zeitschrift steadycam nachgedruckt ist, heißt es, Carpenters Filme wirkten „wie Elfenbeinschnitzereien oder Flaschenschiffe”. So ist es: Carpenters Filme sind Botschaften aus einer anderen Welt, von fremder Schönheit und von fernen Abenteuern und sonderbaren Ritualen kündend.

VAMPIRES, USA 1998 – Regie, Buch und Musik: John Carpenter. Nach dem Roman „Vampire$” von John Steakley. Kamera: Gary B. Kibbe. Mit: James Woods, Daniel Baldwin, Sheryl Lee, Thomas Ian Griffith, Maximilian Schell. Verleih: Kinowelt. 104 Minuten.

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