03. Februar 2010 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Up in the Air

Der Mann, der in den Wolken lebt

George Clooney spielt in UP IN THE AIR einen Zyniker, dessen Beruf es ist, Leute zu feuern - denn wer sonst sollte es schaffen, dass man ihm dabei auch noch gern zusieht.

Ryan Bingham ist eine Figur, die wirklich nur George Clooney spielen konnte. Allenfalls noch Cary Grant, der eine ähnliche Art hatte, durch seine Filme hindurchzuwandeln, mit einem unmerklichen Augenzwinkern, das den Zuschauern signalisierte, es sei womöglich etwas kindisch, was da erzählt werde, aber schließlich gehe es ja darum, dass alle ihren Spaß haben. Und wie Grant schafft es Clooney, vollkommen glaubhaft in seinen Rollen zu sein, ohne jemals auch nur im Geringsten darin aufzugehen. Er ist ein Star, dem alles ein bisschen zu leicht fällt und dem das aber keiner übelnimmt – im Gegenteil.

UP IN THE AIR ist ein Film, in dem Cary Grant nicht hätte spielen können. Weil in seinen Filmen keine Leute gefeuert wurden, und wenn, dann wäre es selbst ihm damals vermutlich etwas frivol vorgekommen, ausgerechnet den Mann zu spielen, der diesen unangenehmen Job für andere erledigt. Offenbar geht das dem Regisseur Jason Reitman heute nicht anders, denn er hat quasi als Rückversicherung, dass sein Film nicht blind ist für die bittere Wirklichkeit, gleich zu Beginn Interviews eingebaut mit Angestellten aus St. Louis und Detroit, die tatsächlich entlassen wurden und die wahrscheinlich ihr Honorar gut gebrauchen konnten. Am Ende tauchen sie noch mal auf, und ihre Aussagen laufen darauf hinaus, dass sie die Entlassung dann doch irgendwann als Chance für einen Neuanfang begriffen haben. Dass das genau die Sorte Botschaft ist, mit der Clooney seine schlechten Nachrichten schönzureden versucht, führt allerdings vor Augen, dass Reitman zynischer ist, als sein Film zugeben will. Denn er versucht uns eine Botschaft unterzujubeln, von der er weiß, dass sie nichts als Gewäsch ist. Aber das soll einem den Spaß nicht verderben.

Kann es auch nicht. Dafür sorgt schon George Clooney mit seinem raren Talent, dass man sich wohl in seiner Haut fühlt. Sein Ryan Bingham nimmt einen von Anfang an an die Hand und erläutert, dass er 322 Tage im Jahr unterwegs sei – und jeden Tag hasse, an dem er es nicht ist. Sein Leben spielt sich in Flughäfen, Mietwagen und Hotels ab, wo er als treuer Kunde stets bevorzugt behandelt wird. Er liebt die professionelle Aufmerksamkeit, die ihm dabei zuteil wird, und begegnet ihr mit jener Zugewandtheit, die das Unverbindliche schätzt. Und als müsse er seine Lebensweise noch theoretisch untermauern, hält er Vorträge darüber, wie man sein Leben möglichst ballastfrei gestaltet. Man müsse sich nur mal fragen, sagt er, wie viel das eigene Leben wiege. Dazu müsse man sich vorstellen, dass man es in einen Rucksack packe. Erst die kleinen Dinge, was sich in Schubladen findet, dann die größeren, Kleider, Möbel – das fühle sich schon ganz schön schwer an. Dann solle man Leute dazupacken, Kollegen, Bekannte erst, dann die Familie. Man solle sich nichts vormachen, beschwört er seine Zuhörer: Nichts wiege schwerer als diese Beziehungen. Nichts als Diskussionen, Streitereien, Geheimnisse, Kompromisse. Und auch hier ist Clooney natürlich genau der Mann, der weiß, welchen Unsinn er da verzapft, und dem man trotzdem abnimmt, dass seine Figur glaubt, was sie sagt. Das ist sein Geheimnis: Wenn er sagt: „Come fly with me“, dann folgen wir seiner Einladung blindlings.

Natürlich macht es sich der Film zur Aufgabe, diesem Mann vorzuführen, dass die Luft, die man zum Leben braucht, nicht auf Dauer aus der Klimaanlage kommen kann. Und dass es sich dabei nur um eine Frau handeln kann, ist auch klar. Die erste ist eine ehrgeizige Studienabgängerin (Anna Kendrick), die seinem Chef klarmacht, dass es wesentlich effizienter wäre, die Leute per Videokonferenzschaltung zu feuern. Bingham sieht natürlich sofort sein Vielfliegerleben bedroht und nimmt sie mit auf eine seiner Touren, um ihr vorzuführen, wie wichtig der persönliche Kontakt sei. Um die Moral oder auch nur die Form geht es ihm dabei natürlich nicht, aber er nutzt die Gelegenheit, die junge Frau mit dem Geheimwissen des Vielfliegers zu beeindrucken. Bei den Schlangen vor der Kontrolle etwa solle man sich vor alten Leuten hüten („jede Menge versteckter Metalle und keinen Sinn dafür, wie wenig Zeit ihnen noch bleibt“) und sich auch nicht hinter Familien mit Kindern stellen, sondern zu den Asiaten („leichtes Gepäck, effizientes Reisen und Slipper statt Schnürschuhe“). Als seine Begleitung einwendet, das sei rassistisch, entgegnet er, er halte es mit seiner Mutter: „Mit Stereotypen geht es schneller.“

Sosehr sich die junge Frau auch empört, Zweifel an seiner Lebensweise kann sie in ihm nicht wecken. Dazu braucht es schon jemanden wie Vera Farmiga, eine Frau, die ganz auf seiner Linie liegt. Ihre erste Begegnung in einer Hotelbar gehört zu den großen komischen Momenten des Films, weil die beiden sich gegenseitig mit ihren Gold- und Platin-Mitgliedskarten zu übertrumpfen versuchen und daraus ein erotischer Balztanz wird. Vera Farmiga hat genau den richtigen belustigten Blick, der Bingham beruhigt, dass er mit ihr die perfekte ballastfreie Beziehung haben könnte. Und als die beiden dann mal jenseits ihrer Hotelbegegnungen einen Ausflug zur Hochzeit von Binghams Schwester nach Wisconsin machen, droht der Film in einer Romantic Comedy zu versanden. Als täte ihm die frische Luft nicht gut. Am besten ist UP IN THE AIR dort, wo Clooney uns weismacht, das Leben sei tatsächlich eine einzige Senator-Lounge.

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