03. Februar 2010 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Fernsehen, Rezension | Belphégor oder Das Geheimnis des Louvre

Paris 1965 . . .

"Belphégor oder Das Geheimnis des Louvre"

Es beginnt immer mit derselben Einblendung „Paris 1965 . . .“, und weil das damals die Gegenwart war, wirkt es so, als müsse man sich ihrer versichern, ehe das, was die drei Punkte andeuten, aus ihr hinausführt. Zur Einblendung sieht man die Seine und hört zwei Schüsse, dann den Louvre und die Alarmglocken. Damit wurde Frankreich 1965 vier Folgen lang in Atem gehalten, und sogar De Gaulle soll ein Fan gewesen sein. Bei uns lief die Serie zwei Jahre später in dreizehn Folgen im Vorabendprogramm der ARD. Es geht um ein Phantom, das im Louvre sein Unwesen treibt, aber dieser Plot ist nur eine Triebfeder, um ein Porträt der Stadt Paris in jener Epoche zu entwerfen. Denn Regisseur Claude Barma betreibt hier nicht Kulissenschieberei, sondern filmt tatsächlich auf den Straßen, nutzt nicht nur Sehenswürdigkeiten wie den Eiffelturm als Szenerie, sondern auch die Banlieue und die Île-de-France – also das ganze Weichbild der Metropole, die eben nicht nur aus den Boulevards besteht, sondern auch aus Häusern mit Gärten in den Vororten, Kanälen oder Rangierbahnhöfen.

Der Held (Yves Rénier) ist ein Physikstudent, der ein Faible für die Welt hinter den Spiegeln hat und dem Phantom des Louvre auf die Spur zu kommen versucht. Dabei lernt er eine junge Frau (Christine Delaroche) kennen, die sich als Tochter des Kommissars (René Dary) entpuppt. Ehe es jedoch zwischen den beiden wirklich ernst wird, taucht eine reife, reiche Frau (Juliette Gréco) auf, die den jungen Mann verführt und ihn sich als Gespielen hält. Das ist schon mal für eine Serie dieser Zeit und Art von erstaunlicher Unverblümtheit und wird begleitet von weiteren Anzüglichkeiten, die aber alle von einer besonders liebevollen Figurenzeichnung getragen sind. Eine rätselhafte Alte fragt etwa den Kommissar, der in seiner Freizeit an Märklin-Loks herumschraubt, ob er ihr gestatte, durch sein Haar zu fahren. Und zwei Museumswärter streiten sich im Louvre darum, wer die Venus von Milo mit dem Schwamm abwaschen dürfe, woraus sich eine richtige Eifersuchtsszene entwickelt.

„Belphégor“ ist voll von solchen Petitessen, für die sich Barma ungewöhnlich viel Zeit lässt und die am Ende das Porträt einer Gesellschaft an der Schwelle zu einer neuen Zeit ergeben. Gerade die Jugend wird hier manches Mal davon überrascht, wie viel Lebenslust noch in der Generation ihrer Eltern steckt. Die wurde natürlich von niemandem so sehr verkörpert wie von Juliette Gréco, die hier eine Doppelrolle spielt und ohnehin kein Geheimnis daraus macht, dass sie der Tugend und Moral der kleinen Freundin nichts als Maskenspiel und kurzlebige Vergnügungen entgegenzusetzen hat. Und das Schönste ist, dass sie die Müdigkeit mitspielt, die der Preis für dieses Leben ist. Allein dafür lohnt sich schon diese bemerkenswerte Serie.

Claude Barma: „Belphégor“. e-m-s. 3 DVDs. Französisch, Deutsch, Untertitel. 12-seitiges Booklet, Trailer, Artwork-Galerie.

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