28. Januar 2010 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Die Affäre

Bis zum bitteren Ende

Catherine Corsinis AFFÄRE

Es beginnt mit einem Schuss, der mitten in der Nacht fällt, in einem jener modernen Häuser, die mehr auf Glas und Geländer als auf Mauern setzen. Das Echo des Schusses hat man den ganzen Film lang in den Ohren, weil man zwar nicht weiß, ob die Frau sich selbst oder ihren Mann umbringen wird, aber eben sicher sein kann, dass sich am Ende alles entladen wird, was sich aufgestaut hat. Es sei denn, der Schuss geht daneben.

DIE AFFÄRE von Catherine Corsini erzählt eine Allerweltsgeschichte, deren Originaltitel PARTIR schon betont, dass es beim Seitensprung nicht bleiben wird. Eine Arztfrau will wieder ins Berufsleben einsteigen, denn Sohn und Tochter werden in absehbarer Zeit das Elternhaus verlassen. So soll ein Schuppen auf dem Grundstück in eine Praxis umgebaut werden, in der sie als Physiotherapeutin arbeiten kann. Dafür beschäftigt der Mann einen Schwarzarbeiter, der aus dem benachbarten Spanien kommt. Dass es zwischen der Arztfrau und dem Bauarbeiter funken wird, liegt zwar nicht auf der Hand, aber in der Natur des Genres. Dass die Frau einen Unfall verschuldet, bei dem sich der Arbeiter den Knöchel bricht, ist nur ein Ablenkungsmanöver der Regisseurin auf dem unausweichlichen Weg, den die Geschichte nehmen wird. So wie die kleine Tochter, die der Arbeiter im heimischen Spanien nach langer Zeit wieder besuchen darf, weil er wegen einer kleinen Sache im Knast saß. Das ändert nichts daran, dass alle Figuren dem entsprechen, was man erwarten darf. Der Arzt (Yvan Attal) lässt seine Frau etwas zu sehr spüren, wer das Geld nach Hause bringt. Der Arbeiter (Sergi Lopez) ist mit seinem schlichten Gemüt natürlich näher an den einfachen Freuden des Lebens, die ein Nachmittag am Meer oder ein Ausflug ins Hinterland bieten kann. Und die Frau…

Die Frau ist Kristin Scott Thomas und lässt alles vergessen, was man über Frauen in ihrer Situation in Filmen wie diesen zu wissen glaubt. Ihr Gesicht scheint noch durchlässiger für die Gefühle, die an ihr zehren, und noch feinnerviger als zuletzt in SO VIELE JAHRE LIEBE ICH, falls das überhaupt möglich ist. Denn schon da sagte ein Blick in ihr Gesicht mehr, als mancher Film in neunzig Minuten erzählt. Vielleicht hat das etwas mit ihren fiebrigen Lidern zu tun oder der Art, wie die Venen auf der Stirn vortreten, dass sie stets so transparent wirkt, so angefasst vom Wogen ihrer Gefühle.

Es ist natürlich auch eine französische Qualität, mit welchem Selbstverständnis eine berechenbare Affäre als Filmstoff völlig genügt, weil sie von der Faszination getragen wird, Schauspielern dabei zuzusehen, wie sie den Dingen des Lebens ein Gesicht geben. Was den Film, der seine Musik nicht zufällig Truffaut-Komponisten verdankt, von anderen unterscheidet, ist vielleicht noch nicht mal die Konsequenz, mit der er diese Affäre zu Ende denkt, sondern Kristin Scott Thomas‘ Blick, wenn sie feststellt, dass ihr Mann alle Kreditkarten hat sperren lassen.

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