16. Oktober 1987 | Die Zeit | Filmkritiken, Rezension | Der Unsichtbare

DER UNSICHTBARE von Ulf Miehe

Eins sieht man deutlich: die Tarnkappe ist ein alter Hut. Das verstaubte Erbstück, das dem populären Talkmaster Peter Benjamin von seinem Onkel hinterlassen wird, hatten schon andere vor ihm in den Händen. In Hollywood hat man die Kappe aufgetragen, auf den unsichtbaren Häuptern des Kinos ist sie ganz fadenscheinig geworden. Jetzt schimmert überall das Gewebe durch. Es brauchte schon einen robusten Stoff und einen reißfesten roten Faden, um sie wieder zu stopfen. Doch offenbar verwendet Ulf Miehe ein sehr dünnes Garn, denn man sieht es fast nicht.

DER UNSICHTBARE erzählt von dem alten Traum des Menschen, zu sehen, ohne gesehen zu werden, und von dem Alptraum, dadurch zu erfahren, was man gar nicht wissen möchte. Tatsächlich bestätigt die Tarnkappe dem Fernsehstar Benjamin, was er immer schon befürchtete: er sei ein Nichts. Und als er damit unsichtbarerweise auch noch seine Frau (Barbara Rudnik) beim Ehebruch ertappt, erkennt er sich endgültig selbst: als Mann ohne Körper, als einer, der nur noch aus den Projektionen der Zuschauer besteht. Was er nicht ahnt, obwohl das Fernsehen von jeher darauf hinausläuft: daß im Reich der elektronischen Schatten der Unsichtbare König wäre. Doch statt dessen verlegt sich Miehe nicht nur auf das Sichtbare, sondern mehr noch auf das Vorhersehbare – und setzt dem Film somit eine Narrenkappe auf. Klaus Wennemann, der hier begabterweise seine Dudley Moore Qualitäten ausspielt, verfolgen wechselweise Nena als Reporterin und Camilla Hörn als Mutter, und alle miteinander jagen hinter dem Humor her. Doch der hat längst eine Tarnkappe aufgesetzt und sich aus dem Staub gemacht.

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