11. September 1995 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Tatis Schützenfest

Ein Film für Briefträger und alle, die es werden wollen: Ein französischer Postbote sieht einen Film über die amerikanische Post und ist von der Schnelligkeit begeistert. Fortan hat er nur noch ein Ziel: so schnell sein wie die Amerikaner. So veranstaltet er auf seinem Fahrrad fortan jeden Morgen seine persönliche Tour de France. Weil aber das lange Elend Jaques Tati den Briefträger spielt, kommt natürlich immer wieder Sand ins Getriebe.
Aber dann hat es 48 Jahre gedauert, bis Jaques Tatis JOUR DE FETE so aussah, wie er immer aussehen sollte: nämlich bunt – so langsam ist nicht mal die Deutsche Post AG. Warum freilich das SCHÜTZENFEST bislang nur in Schwarzweiß zu sehen war, ist eine Geschichte, die nur das Leben (oder eben das Kino) schreiben kann.

Kurz nach dem Krieg war Farbe im Film noch der reinste Luxus. Und es gab eine Menge Firmen, die damit Geld machen wollten. Was für Amerika Technicolor und bei uns Agfacolor war, das sollte in Frankreich Thomsoncolor sein. Sollte. Wurde aber nicht. Zwar hatten die Herren von Thomson Tati unentgeltlich Filmmaterial und Ausrüstung zur Verfügung gestellt, um ihr Verfahren zu testen, aber Filmkopien herstellen konnten sie nicht. Es heißt, es habe einen Vertrag zwischen Kodak und Technicolor gegeben, der es Kodak untersagte, an Thomson die Flüssigkeiten zu liefern, die zur Herstellung von Kopien erforderlich sind. Zum Glück hatte der Regisseur zwei Versionen des Films gedreht.

Tati ärgerte sich trotzdem, weil er sich mit der Farbgestaltung des Schützenfestes echt Mühe gegeben hatte: So ließ er extra die Türen grau streichen und die Komparsen schwarz kleiden, um die Farben, die ein Wanderzirkus ins Dorf bringt, besser hervorheben zu können. 1961 versuchte er es deshalb nochmal – und ließ in einige Kopien von Hand Farbtupfer einsprenkeln. Da sah man dann inmitten des Schwarzweiß einen gelben Luftballon aufsteigen oder die Trikolore wehen.

1982 starb er, ohne seinen Film je so gesehen zu haben, wie er sich ihn vorgestellt hatte. Seine Tochter Sophie hat sich aber mit dem Kameramann François Ede auf die Suche nach der verlorenen Farbe gemacht. Und tatsächlich gelang es den beiden, das fast fünfzig Jahre alte Negativ in mühevoller Kleinarbeit doch noch in einen Farbfilm zu verwandeln. Sieben Jahre hat das gedauert. Das nennt sich rapidité. Und was stellt sich nun heraus: Der gelbe Ballon war in Wirklichkeit blau. Das hat man davon, wenn der Postmann zweimal klingelt.

TATIS SCHÜTZENFEST in der wiederhergestellten Originalfassung kommt am 14.9. in die Deutschen Kinos.

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