24. Dezember 1990 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Stella

Alles wie Dallas

Bette Midier in John Ermans Film STELLA

Im Inneren der Melodramen sitzt ein weiches Herz. Alles, was Menschen dort tun, tun sie wider besseres Fühlen. Eine der Paraderollen des Genres ist Stella Dallas, die Heldin des Romans von Olive Higgins Prouty, der 1925 von Henry King mit Belle Bennett und 1937 von King Vidor mit Barbara Stanwyck verfilmt worden ist. Es geht um Liebe und Verrat, Ehrgeiz und Opfermut. Eine Mutter erkämpft ihrer Tochter den sozialen Aufstieg, der ihr selbst verwehrt blieb. Barbara Stanwyck hatte an der Rolle diese Mischung aus äußerer Gewöhnlichkeit und innerer Feinheit geschätzt. Bei Bette Midier sind diese beiden Züge kein Widerspruch. Das macht ihre besondere Qualität aus – aber nicht in diesem Film.

Regisseur John Ennan hat bislang nur füs Fernsehen gearbeitet, in der Regel allerdings bei ambitionierten Projekten wie dem Aids-Film An Early Frost. Und obwohl er den Drehbuchautor Robert Getchell (ALICE DOESN’T LIVE HERE ANYMORE) und den Kameramann Billy Williams (GANDHI) an seiner Seite hat, wird aus seiner Stella nur eine Seifenoper. In jeder Szene steuert er auf den Kern des Melodrams zu, aber um damit mitten ins Herz zu treffen, fehlt ihm die Unschuld der großen Gesten und Gefühle.

Erman und Getchell haben versucht, den Stoff zu aktualisieren. Sie haben die Rechnung allerdings ohne Bette Midier gemacht: Sentimentalität und Ehrgeiz sind zwar durchaus ihre Sache, aber beides hängt mit ihrem Witz zusammen, der immer auf den Zuschauer zielt. So bleibt stets eine Distanz, die im Melodramatischen den Effekt sichtbar macht. Im Tal der Tränen fühlt sich Bette einfach nicht zu Hause. Sie mag eine Frau sein, die über einem Roman wie „Stella Dallas“ heult, aber sie ist keine Frau wie Stella. Man sieht ihr zu, man bewundert ihr Talent – und glaubt ihr kein Wort. Sie hat einfach ein zu weiches Herz.

(In München in den Museumslichtspielen)

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