01. März 1990 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Der Rosen-Krieg

Inflation des Schreckens

Danny De Vitos zweiter Spielfilm DER ROSEN-KRIEG

Das Glück ist ein Ding mit Flügeln. Es kommt und geht, wie es ihm paßt. Man kann es zum Bleiben nicht zwingen. Schon gar nicht im Kino. Dort fällt es als Pelzmantel vom Himmel, kommt mit der Morgenpost oder läuft, einem auf der Straße in die Arme, fast immer jedoch taucht es unerwartet und unaufgefordert auf. Filme, die das so darstellen, sind natürlich Opium für das Volk. Aber wenn man Glück hat, dann kann man als Kinogeher ein Stück mit nach Hause nehmen.

Es muß Menschen geben, bei denen hält sich das Glück scheinbar lieber auf als bei anderen. Barbara und Oliver Rose gehören zu denen. Nach einer Auktion, auf der sie hinter dem gleichen Stück her waren, haben sie sich im Regen kennen- und kurz darauf im Hotel auch liebengelernt. Sie haben geheiratet und zwei Kinder bekommen, er hat für sein Studium gelernt und sie das Geld verdient. Dafür ist er erfolgreicher Anwalt geworden, und sie hat ihr Traumhaus nach Belieben einrichten können. Alles wirkt wie aus einem Bilderbuch, der Film schildert das Glück in den leuchtendsten Farben. Nur besitzen die einen ungesunden, künstlichen Glanz, Überall protzt Marmor, Porzellan und kostbares Holz; alles spiegelt, schimmert und blitzt.

Als alles so ist, wie es sein soll, und nichts mehr zu tun übrigbleibt, bekommt das Design for living einen Sprung. Oliver bekommt einen Herzinfarkt, und Barbara stellt auf halbem Weg zum Krankenhaus fest, daß es sie eigentlich nicht kümmert, wie es ihrem Mann geht. Denn, so ihr Fazit nach 17 erfolgreichen Ehejahren, am liebsten sähe sie ihn tot. Sie will die Scheidung und das Haus. Das will er auch. Um das prächtige Grabmahl ihres einstigen Traums entbrennt ein Kampf auf Biegen und Brechen.

Im Rosen-Krieg gelten keine Genfer Konventionen. Es ist wie bei dem historischen Gemetzel zwischen den englischen Häusern Lancaster und York, auf das der Titel anspielt: alles ist erlaubt; kein Trick ist zu schmutzig, kein Schlag zu weit unter der Gürtellinie. Alle lieben und teuren Erinnerungen, die die Roses bis dahin angehäuft haben, werden jetzt verheizt. Die Materialschlacht ist ein Kriegsfilm im Gewand einer Ehekomödie.

Danny De Vito, der schon in seinem Erstling SCHMEISS DIE MAMA AUS DEM ZUG gut gelaunt schlechten Geschmack pflegte, lässt die Stars von AUF DER JAGD NACH DEM GRÜNEN DIAMANTEN Kathleen Turner und Michel Douglas, sich hier als Ehepaar Rose genüßlich demontieren. Er selbst spielt den hilflosen Scheidungsanwalt zwischen den beiden, der ihre Geschichte in Rückblenden erzählt. Dazu sitzt er in seinem Büro vor einem riesigen Fenster, hinter dem ein giftgelber Himmel hängt, durch den manchmal Hubschrauber fliegen wie böse schwarze Käfer.

Im Reich des Slapstick

Mit kaum verhohlener Lust mimt er Entsetzen, wenn er ein neues Kapitel im Untergang des Hauses Rose aufschlägt, in dem der Schrecken so bunt daherkommt wie in den Poe-Verfilmungen von Roger Corman. Als Maitre de plaisir führt er durch ein Disneyland der Tollheiten und Tabus, in dem sich Prinzen bevorzugt in häßliche Kröten verwandeln. Seine Szenen einer Ehe sind ein ganz und gar surrealistisches Debakel. Die Formen blähen sich auf, die Bewegungen ufern aus.

Das kündigt sich schon in Glückszeiten an. Da verbietet Barbara ihren Kindern die Süßigkeiten. Worauf ihr Oliver einen Vortrag hält, daß dadurch nur die Lust auf Süßes unnatürlich geschürt würde, und das Verbot wieder aufhebt. Wenn man die Kinder das nächste Mal wiedersieht, sind aus ihnen richtige Fettsäcke geworden. Die Inflation hat bei De Vito Methode, daraus schöpft sein schwarzer Humor.

Was sich die Roses antun, hat nichts mehr mit den Regeln der Screwball Comedy zu tun, sondern gehört eher ins Reich des Slapstick. Kathleen Turner und Michael Douglas erinnern auch weniger an die Paare bei Lubitsch und Hawks, sondern vielmehr an Laurel und Hardy. Der scheinbare Masochismus, mit dem sie jeweils die Attacken des anderen über sich ergehen lassen, entpuppt sich wie bei Stan und Ollie als reinster Sadismus, weil sie dabei nur umso weiter und wirkungsvoller zum Gegenschlag ausholen können. Als Barbara wichtige Kunden bekocht, pinkelt ihr Oliver in den Braten, woraufhin sie seinen Oldtimer plattwalzt, er ihre Katze überfährt, sie ihm seinen Hund zum Essen vorsetzt, und so weiter.

Das nun war offenbar nicht nach jedermanns Geschmack, weswegen man kurz darauf den Hund in einem kurzen, völlig sinnlosen Schnitt wieder putzmunter um-herlaufen sieht. Und das dürfte toten Hunden selbst im Kino eigentlich nicht gelingen. Da hat anscheinend irgendwer die Notbremse gezogen, um Kathleen Turners Image bei den Hundebesitzern nicht zu gefährden. Doch das Vergnügen an diesem Schlachtfest eines Traumpaares kann das allerdings nicht mehr trüben. Manchmal hat das Glück eben keine Flügel, sondern besteht nur aus einem hämischen Grinsen.

(In München im Royal Palast, Sendlinger Tor, Karlstor und im Neuen Arri.)

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