18. Dezember 1985 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Perfect

Außenansichten des Körperwahns

PERFECT, ein Film von James Bridges

Kreisende Hüften, wippende Brüste und schweißnasse Haut, die begnadeten Körper gehen auf und ab, hoch und nieder. Oft schon haben wir uns geschämt, bei Aerobic auch mal an andere Dinge gedacht zu haben. In PERFECT ist es mit der Heuchelei endlich vorbei: Der Schuft darf nicht nur Schlimmes denken, er soll es sogar. Dabei sehen wir nicht, wie Jamie Lee Curtis und John Travolta miteinander ins Bett gehen, sondern nur, wie sie sich anderntags beim Training Auge in Auge anlächeln. Regisseur James Bridges (CHINA-SYNDROM) hat bei der klassischen Hollywood-Komödie gelernt, um wieviel charmanter und wirkungsvoller diese Darstellung über einen Umweg sein kann. Auch wenn die Andeutungen im Kalifornien der achtziger Jahre erheblich deutlicher als einst ausfallen.

Adam Lawrence, Travolta also, Reporter des New Yorker Kult- und Kulturmagazins „Rolling Stone“, recherchiert in Los Angeles für zwei Geschichten – eine über einen Industriellen, der des Handels mit Kokain angeklagt ist, und eine andere über den amerikanischen Fitneß-Wahn. Weil Adam aber derselben Meinung ist wie die New Yorker Komiker Tony Randall und Woody Allen, daß Kallfornier ausschließlich schöne Körper mit hohlen Köpfen sind, weiß er von vornherein, wie er seine Story aufziehen wird: Fitneß-Clubs als Single-Bars der achtziger Jahre. Indes verliebt sich Adam ausgerechnet in die Aerobic-Trainerin Jessie. Die ist allerdings ein gebranntes Kind – ihre Sportlerkarriere wurde durch einen Reporter beendet – und hat Zweifel an Adams Methoden. Vielleicht zu Recht: PERFECT stellt journalistische Methoden zur Debatte und zeigt, wie subjektive Verwicklungen objektiven Geboten unvermeidlich entgegenstehen. Daß der Film ohne die Mitarbeit des „Rolling Stone“ so nicht machbar gewesen wäre, daß einer der Reporter das Drehbuch schrieb und sein Herausgeber Jann S. Wenner eine Hauptrolle spielt, hat die Arbeit anscheinend nicht beeinflußt.

Die Pop-Kultur sei für die Gesellschaft, was Träume für das Individuum sind: Durch die Analyse des einen könne man über das andere etwas erfahren. Auf die Umsetzung dieser These gründete sich nicht zuletzt der Erfolg des „Rolling Stone“, der irgendwann erkannt hat, daß sich in der populären Kultur Zeitströmungen schneller abbilden als anderswo. PERFECT zeigt auch, wie die Perfektionierung dieser Muster zur Erstarrung führt und daß auch der „Rolling Stone“ unter den Verkrustungen des Etablierten zu leiden hat.

James Bridges zieht für den Film seine Konsequenzen: Weil das in einer verwässerten Tradition des Musicals stehende Subgenre der Tanz- und Gymnastikfilme bereits mit FLASHDANCE seinen Klassiker hervorgebracht hat und jetzt, nur zwei Jahre später, in Reproduktionen erstarrt ist, schildert er es durch die subjektive Sicht eines Außenstehenden – Bosheit und Faszination eingeschlossen. Dadurch schafft er es, dem Körperwahn komische Aspekte abzugewinnen und für seine Anhänger dennoch ein schmunzelndes Verständnls zu bewahren. Aber im Grunde ist sich Bridges mit Woody Allen, dessen Lieblingekameramann Gordon Willis auch hier die Kamera führt, einig, daß Kaliforniens einzige kulturelle Errungenschaft darin besteht, daß man bei Rot rechts abbiegen darf.

(In München im Eldorado und im Leopold.)

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