18. Oktober 1990 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Navy Seals

Die Intelligenz der Kamera

NAVY SEALS, Action von Lewis Teague

Nichts spielt mehr eine Rolle. Nicht was die Männer denken, nicht was sie fühlen, nicht was sie sind. Alles, worum es geht in diesem Film, ist die Anmut der Action, das Ballett der Bewegungen.

Navy Seals sind die Männer einer Marine-Spezialeinheit, die für den Kampf zu Wasser, in der Luft und an Land (Sea, Air, Land) speziell ausgebildet und ausgerüstet sind. Ihr Einsatzgebiet sind die Grauzonen der Politik. Wo die Möglichkeiten der Diplomatie aufhören, fängt ihre Arbeit an. In diesem Fall sind den Amerikanern ein paar Raketen abhanden gekommen und in die Hände von islamischen Extremisten gefallen. Die Spur der Seals (unter ihnen Charlie Sheen und Michael Biehn) führt durch den Tip einer Journalistin (Joanne Whalley-Kilmer) nach Beirut.

Lewis Teague (DER HORROR-ALLIGATOR, CUJO, KATZENAUGE, DAS JUWEL VOM NIL) zieht keine gerade Linie ins Zentrum des Geschehens. Er sucht einen anderen Rhythmus, der geprägt ist vom Wechsel zwischen konzentrierter Spannung und ausgelassener Entspannung. Navy Seals schildert die Unruhe und Ausgelassenheit zwischen den Aufträgen, eine Mischung aus Hunger und Überdruß. Sie haben zu viel Geld und zu wenig Privatleben, also toben sie sich gemeinsam auf dem Golfplatz aus. Es gibt Besonnenere und Übermütigere unter ihnen, mehr Charakter gewährt ihnen diese Geschichte nicht. Teague erzählt vom Leben der Seals eher nüchtern als lakonisch, unaufgeregt und eher auf Umwegen packend.

Stählerne Fische tauchen aus dem Wolkenmeer, dunkle Insekten verdüstern den Himmel, schwarze Schatten gleiten durch die Nacht. Wie finstere Phantome erscheinen die Transporter, Hubschrauber und Kämpfer. Drohende Silhouetten seilen sich ab durch leere Räume und bringen den Tod. So wie sich die Surrealisten an der Vorstellung des allgegenwärtigen Nachtgeschöpfes Fantomas erfreut haben, so beschwört Teague ein Reich entseelter Geschöpfe im Niemandsland der Weltpolitik. Dabei ist er weniger an Stilisierung und Glorifizierung interessiert als an der endlosen Traurigkeit einer Welt, in der es nur Action gibt, nur diesen unmenschlichen Wechsel von Bewegung und sinnloser Ruhe. An der Kamera stand John A. Alonzo, der auch CHINATOWN und HAROLD & MAUDE, SCARFACE und INTERNAL AFFAIRS photographiert hat. Und wenn der Film auch sonst nicht sonderlich intelligent ist, so besitzt er doch wenigstens eine photographische Intelligenz.

(In München im Mathäser, Atlantik und Marmorhaus.)

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