05. August 1996 | Focus Magazin | Filmkritiken, Rezension | Mission Impossible

Im Sog des CIA

TV-Serie im Filmformat: De Palmas MISSION: IMPOSSIBLE mit Meisterspion Tom Cruise

Jetzt hat wieder jeder die unendlich coole Erkennungsmelodie im Ohr, die jedesmal einsetzte, wenn es hieß KOBRA, ÜBERNEHMEN SIE! und sich das Band mit dem geheimen Auftrag selbst zerstört hatte. Dann schnurrte Lalo Schifrins Ohrwurm ab wie eine in Brand gesteckte Zündschnur und gab einen Vorgeschmack auf die eiskalte Präzision, mit der die Geschichten dieser spannendsten Fernsehserie der 60er Jahre abgespult wurden.

Für die Verfilmung, die diesen Sommer in Amerika Startrekorde gebrochen hatte, ehe INDEPENDENCE DAY noch erfolgreicher wurde, ist Schifrins Melodie von Adam Clayton und Larry Mullen von U2 auf den Puls unserer Zeit beschleunigt worden, aber sie hat immer noch jene enervierende Qualität, die an das Ticken eines Zeitzünders denken läßt: „Bambam – badadamdam…“

Star-Vehikel: Natürlich ist MISSION: IMPOSSIBLE von vorne bis hinten auf Tom Cruise zugeschnitten – er ist nicht nur der Star, sondern vor allem auch der Produzent. Und offenbar hat er sich in dieser Eigenschaft auch mit dem Regisseur beim Schnitt so überworfen, daß dieser alle Interviewtermine platzen ließ. Was immer die Gründe sein mögen, ändert es doch nichts daran, daß der wahre Star des Films Brian De Palma heißt. Wie schon in UNTOUCHABLES führt er hier vor, wie man einer Fernsehformel Filmformat abgewinnt und aus einem alten Konzept modernes Kino macht.

Doppelte Böden: Das alte Agententeam um den silberhaarigen Peter Graves lebte von einem Sinn für utopische Technologien und der altmodischen Lust an Verkleidungen. Dem neuen Thema werden genau diese Vorlieben zum Verhängnis. Schon nach der ersten Mission ist nichts mehr so, wie es auf den ersten Blick schien, und bald weiß keiner mehr, wem er noch trauen kann. Und weil De Palma schon immer ein Meister des doppelbödigen Erzählens war, ist er hier in seinem Element.

Rififi: Von den Windungen und Kehrtwenden der Geschichte sollte man nicht zuviel verraten, weil der Reiz des Films zu einem Großteil genau darin besteht, daß man als Zuschauer den Entwicklungen immer einen Schritt hinterherhinkt. Schon die Serie folgte nie der simplen Western-Dramaturgie, die sich im Duell entlädt, sondern eher dem Rififi-Rezept, bei dem man atemlos der Durchführung eines Plans folgt, dessen Gelingen an einem seidenen Faden hängt.

In einer Szene wird das wörtlich genommen: Da läßt sich Tom Cruise wie eine Spinne an einem Seil von der Decke hinab zum Computer im Hochsicherheitstrakt des CIA, um eine Raubkopie der Liste aller US-Agenten zu ziehen. Unter ihm ein Boden, der bei der leisesten Berührung Alarm auslöst – ein Schweißtropfen genügt. Über ihm sein Helfer im Lüftungsschacht, der das Seil halten muß, obwohl ihm eine Ratte zu schaffen macht. Und hinter ihm die Tür, durch die jeden Moment jemand kommen kann. Diese Szene ist wirklich Spannung pur. Und in diesem Moment hat De Palma sein Publikum in der Hand.

An diesem Drahtseilakt sieht man, was einen guten Regisseur ausmacht. Nicht beim Plan kommt es auf Timing an, sondern bei der Inszenierung. De Palma wurde oft als bloßer Epigone Hitchcocks verhöhnt, aber hier beweist er, daß er dasselbe Talent besitzt, Storys in Bilder zu verwandeln, die ihren eigenen Sog entwickeln. Und dieselbe diebische Lust, die Zuschauer an den Fäden, die sie gespannt haben, zappeln zu sehen. Die höchste Qual der Zuschauer ist ihnen das reinste Vergnügen. Damit hat De Palma seine Mission erfüllt.

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