09. August 1996 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 09.08.1996

Film-Tips

Wer ins Kino geht, versäumt nix vom Leben - das Wetter ist eh mies. Und wer im Urlaub ist, ist selbst schuld.

Wild, wild, wild.

So ist das. Der Amerikaner trägt es gern nach außen, wenn ihn was zwickt. Schwingt die Hüften, läuft Amok oder schießt sich in die Rübe. Der Franzose hingegen hat es gern etwas leiser. Singt Chansons, schreibt Briefe oder geht baden. WILD AT HEART (Arena, heute 18.45 und 22.45 Uhr) und WILDE HERZEN (Türkendolch, auch heute 16.30 und 20.30 Uhr) geben sich im Titel beispielsweise gleichermaßen wild, wild, wild, aber bei näherer Betrachtung haben die beiden leicht unterschiedliche Vorstellungen davon, wie man sich aufführt, wenn man jung und ungebunden ist. David Lynch erzählt davon, wie es ist, wenn zwei Menschen so glücklich sind, daß sie mit ihrem Glück allen auf den Wecker gehen. Aber immerhin sieht man Nicolas Cage in einer coolen Schlangenlederjacke, aber der Rest sieht eher so aus, wie Amerikaner glauben, daß Europäer denken, daß Amerika aussehen soll. André Téchiné hingegen ist nur insofern wild, als die Emotionen bei ihm so unordentlich blühen, wie das nur die Blumen in der freien Natur tun.

Rien ne va plus

Noch eine hübsche Paarung, die zwei Seiten einer Medaille zeigt. Karel Reisz erzählt in einem der tollsten Spielerfilme aller Zeiten, THE GAMBLER (Werkstattkino, täglich 22.45 Uhr in der Originalfassung), von einem College-Professor, der sich mit seinen Wetten immer tiefer reinreitet. Nur einmal zieht er das große Los und fühlt sich so unbesiegbar, daß die Kamera ehrfürchtig vor James Caan in die Knie geht und die Lampe an der Decke auf einmal einen Strahlenkranz um sein Haupt legt. In Martin Scorseses CASINO (im Arena am Montag um 20.30 Uhr im Original) wird hingegen vorgeführt, daß die Bank ohnehin immer gewinnt, weswegen alle ein wenig zu übermütig werden und schließlich ein schlimmes Ende nehmen.

Wim oder Wenders

Das Filmmuseum zeigt in seiner Dokumentaristenreihe am Donnerstag um 18 Uhr erst TOKYO-GA, in dem Wenders seiner Verwunderung über japanische Lebensunart Ausdruck gibt, und um 21 Uhr dann AUFZEICHNUNGEN VON KLEIDERN UND STÄDTEN, den man locker seinen aufregendsten Film der letzten zehn Jahre nennen kann. Der große Wenders wird da zum kleinen Wim, weil er voller Begeisterung über seine tolles digitales Spielzeug alle Bedenken gegen das allzu flotte Bildermachen über den Haufen wirft. Und am Ende erhascht er damit sogar noch ein Bild reinster Magie – aber mit Ankündigung: die Hände der Näherinnen bei der Arbeit.

Außerdem läuft noch Robert Altmans SHORT CUTS (Isabella, am Samstag um 14.15 und 19.30 Uhr), auch dessen bester Film des letzten Jahrzehnts, der ein paar Gründe nennt, warum wir diesen Sommer lieber nicht nach Los Angeles fahren wollen. Sondern lieber ins Kino gehen.

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