Am 17. September 1966 wurde auf CBS eine Zündschnur in Brand gesteckt, die immer noch brennt – heute heller denn je. Das flammende Streichholz, das vor dreißig Jahren den Vorspann zur Serie MISSION: IMPOSSIBLE und vor allem deren grandiose Erkennungsmelodie von Lalo Schifrin in Gang setzte, entzündet nun auch Brian de Palmas Verfilmung mit Tom Cruise. Den Pilotfilm und die ersten fünf der 168 Folgen zwischen 1966 und 1973 und der 35 neuen Episoden aus den späteren Achtzigern gibt es nun auf Kassette.
Von allen Fernsehserien der sechziger Jahre, die Hollywood in den letzten Jahren aufgewärmt hat, war dies sicherlich die spannendste. Der Plot war immer der gleiche: Ein Team von fünf Spezialisten mußte Aufträge ausführen, die den Regierungsbehörden zu heikel waren. Darum hieß es am Anfang stets: ‚Sollten Sie oder einer Ihrer Männer gefaßt werden, müssen wir leugnen, Sie zu kennen.‘ Und dann kam der berühmte Satz, der für die Fernsehgeneration wichtiger als alles aus Casablanca war: ‚Dieses Band wird sich in wenigen Sekunden vernichten.‘ In der Synchronfassung folgten dann immer noch die Worte, die der Serie bei uns den Titel gaben: KOBRA, ÜBERNEHMEN SIE!
Der Kalte Krieg war damals schon zur Unterhaltung verkommen. Jede Menge Agenten und Spione trieb ihr Unwesen: JaMES BOND hatte im Kino Erfolg, und im Fernsehen taten es ihm Serien wie SOLO FÜR O.N.C.E.L, MAXWELL SMART, TENNISSCHLÄGER & KANONEN, MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE gleich. An MISSION: IMPOSSIBLE war zweierlei neu und anders: Zum einen besaß die Serie keinen Funken Humor, zum anderen waren ihre Helden im Grunde Leute, die lügen, betrügen und alle Gesetze brechen, die ihnen im Weg stehen. Daß sie es für einen guten Zweck tun, konnte nicht verbergen, daß sich in der Serie jene Überheblichkeit der Amerikaner widerspiegelte, die in der Wirklichkeit etwa zur Einmischung in Vietnam geführt hat.
Ganz so drastisch war es zwar nicht, aber es hatte schon seine Gründe, warum sich die Aufträge mehr und mehr von auswärtigen Operettendiktaturen abwandten und einheimischen Gangstersyndikaten zuwandten. Die Darstellung der totalitären Kleinstaaten, die für Amerikas stets von immenser strategischer Wichtigkeit waren, erinnerte immer an ‚Tim und Struppi‘, und die Erfindung der Phantasiesprachen war dem Erfinder der Serie, Bruce Geller, ein persönliches Vergnügen. Heraus kamen dabei Sachen wie machina werke, zöna restrik oder gäz. Geller wußte schon, warum er jede Art von Humor untersagte: ‚Wenn die Zuschauer erst einmal anfangen, über die Serie zu lachen, dann könnte es schwer werden, sie davon wieder abzubringen.‘
Der Trick war, mit der Spannung dem Zuschauer immer einen Schritt voraus zu sein, um gar keine Gedanken an Plausibilität aufkommen zu lassen. Gelernt hat Geller das bei den Filmen Rififi und Topkapi, die auch ganz und gar von Planung und Durchführung lebten. Das Rezept hieß: ‚Gleich klarmachen, daß der geringste Fehltritt den Tod bedeutet – der Rest erledigt sich von selbst.‘ Natürlich spielt der Zufall immer eine Rolle, der den diffizilen Plan im letzten Moment zu vereiteln scheint und auf den dann schnell reagiert werden muß. Es wird darauf gesetzt, daß der Zuschauer die beinahe geometrische Schönheit der Pläne nicht kurz vor ihrer Vollendung zerstört sehen möchte. Einem natürlichen Instinkt folgend, ist man immer auf der Seite derer, die ihr Handwerk beherrschen und durch ihr Handeln eine eigene Ordnung schaffen. Aus diesem Grund bangt man im Kino auch mit Serienkillern.
Bruce Geller hat erkannt, daß er durch das Tonband mit dem Auftrag am Anfang einen ganzen Akt sparen und gleich zur Sache kommen kann. Ursprünglich mußte das Band auf immer andere Weise beseitigt werden, später aber wurde zum Markenzeichen, daß es sich in fünf Sekunden selbst zerstörte. Die ursprünglich darauffolgende Sequenz, in der aus einer Mappe mit der Aufschrift IMF (Impossible Mission Force) das jedesmal gleiche Team ausgewählt wird, ist später im Fernsehen meistens herausgeschnitten worden, um den Handlungsfortgang zu beschleunigen. Es waren ohnehin immer die gleichen: der Muskelmann Willy (Peter Lupus), der Techniker Barney (Greg Morris), das Model Cinammon (Barbara Bain) und der Verwandlungskünstler Rollin (Martin Landau) – später dann der Magier Paris, von Leonard ‚Spock‘ Nimoy gespielt. Dazu der Chef, der in der ersten Saison noch Mr. Briggs hieß und von Steven Hill gespielt wurde. Populärer war allerdings Peter Graves als Gruppenführer, der von da an Mr. Phelps hieß.
Dann folgte eine kurze Besprechung des versammelten Teams, bei der die Aufgaben verteilt sowie Teile des Plans und einige technische Gimmicks vorgestellt wurden, die so unrealistisch wie wesentlich waren. Magische Drogen, die vor Nervengas schützen oder den Tod auf Zeit simulieren, oder Magneten, die Uhren langsamer laufen lassen. Ein bißchen Science eben und viel Fiction. Geller meinte: ‚Es geht nicht ums Was, sondern nur ums Wie.‘
Meistens läuft es so: Der Bösewicht wird in eine sorgfältig vorbereitete Szenerie gelockt, in der dem Opfer von den verkleideten Team-Mitgliedern eine Wirklichkeit vorgespielt wird, um bestimmte Reaktionen zu erzwingen: Geständnisse, Geheimformeln, Safe-Kombinationen. Das IMF-Team schafft im Grunde Parallelwelten, Gefängniszellen oder Telegraphenämter, Flugzeugkabinen oder Krankenzimmer, die von den Gegnern für Wirklichkeit gehalten werden. Der Aufwand ist immens, aber die Wirkung stets verblüffend.
Das Konzept, bei dem die Opfer in Scheinwelten gefangen werden, geht zurück auf das Buch „The Big Con“, eine Studie über amerikanische Betrüger, die 1940 von dem Literaturprofessor David W. Maurer verfaßt worden ist. Maurers Buch wurde zum Lehrbuch für eine ganze Generation von Autoren in Hollywood. Die Produzenten von Der Clou wurden später von Maurer verklagt, weil sich ihre Geschichte vom falschen Wettbüro zu eng an sein Buch hielt.
Maurer sagt, man könne sich das Konzept des Big Con am besten vorstellen, wenn man sich überlege, wie es wäre, wenn fünfzehn Freunde sich zusammentäten, um jemanden, dessen Schwächen sie sehr genau kennen, einen Streich zu spielen. So funktioniert auch die Fernsehserie: Die Bösewichter fallen noch jedesmal auf die Verführungskünste von Cinnamon herein, und Barney kommt auch jedesmal als Telephontechniker ins Hauptquartier der Bösen. Eine Unbarmherzigkeit menschlicher Schwäche gegenüber durchzieht die Serie. Oder wie es Maurer formuliert hat: ‚Einen ehrlichen Mann kann man nicht betrügen.‘
1978 stürzte Bruce Geller im Alter von 47 Jahren mit einer Cessna in den Buena Vista Canyon bei Santa Barbara. Sein Drehbuchautor Steve Kandal hat ihn auf eine Weise charakterisiert, die viel darüber verrät, warum MISSION: IMPOSSIBLE so war, wie es war: ‚Bruce war warmherzig, freundlich und unbedingt loyal. Aber in seiner Arbeit war er mechanisch und in jeder Hinsicht den einfachsten menschlichen Gefühlen fern. Ich habe mal ein Buch für ihn geschrieben, in dem jemand anderer Leute Identität annimmt. Bruce wollte jemanden, der mittels plastischer Chirurgie, Hypnose und Computerkenntnissen andere Leute kontrolliert und manipuliert. Bruces Reaktion war so heftig, daß es wirklich verblüffend war. Er empfand es als persönliche Bedrohung, daß jemand in eines anderen Kopf gefangen sein könnte. Meine Variante hat offenbar sehr tief sitzende Ängste in ihm geweckt.‘
Steve Kandel war es auch, der die Serie auf den Punkt brachte: ‚Was wir tun, kann man eigentlich nicht schreiben nennen. Es ist mehr so, wie wenn man ein Kreuzworträtsel zusammenstellt.‘ Darin liegt die Faszination der Serie: die Annahme, menschliches Verhalten funktioniere wie ein Kreuzworträtsel. Während man glaubt, man vollbringe eine geistige Leistung, folgt man in Wirklichkeit Wort für Wort einem vorher berechneten Muster.
(Den Piloten und die ersten fünf Folgen gibt es auf drei Kassetten zu je 49,95 Mark im Original bei Schauinsland.)