23. Dezember 1986 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Ferris macht blau

Verschwenderische Ironie

John Hughes' Komödie FERRIS MACHT BLAU

Der Angriff der Langeweile auf die Präsenz der Schüler: Schule ist Krieg. Wer seine Kampfmittel nicht geschickt einsetzt, sich über Taktik keine Gedanken macht, fällt früher oder später den At­tacken der Lehrer zum Opfer. Der letzte große Held auf diesem täglichen Schlachtfeld ist Ferris Bueller, der in seinem letzten College-Jahr noch einmal so viel Spaß wie möglich haben möchte. Als gewiefter Stratege rechnet er mit dem Ver­halten der Autoritäten, kennt die Abläufe ihrer Kontrollsysteme und macht sie sich methodisch zunutze. Computer und Synthesizer, Tonband und Telefon werden eingesetzt Lausbuben­streiche? Die Kids von heute bedienen sich aus­geklügelter HiTech-Strategien. Keine Chance für altmodische Pauker.

Ferris macht auf geradezu beispielhafte Weise blau. Mit einem Seitenblick in die Kamera erläutert er seine nächsten Schritte, als wolle er ein Exempel statuieren. Der Tonfall des Tagebucheintrags, des Erlebnisaufsatzes bestimmt den Aufbau des FUms. Bruchstücke, Episoden fügen sich zu einer Show mit Conferencier, nicht zum Plot Als wir die Schule schwänzten und eine Menge Spaß hatten.

Ein 61er Ferrari Spyder California, der Song „Twist and Shout“ von den Beatles, die breite Leinwand von Scope werden mit bemerkenswerter Ökonomie verwendet damit um so ver­schwenderischer mit ihnen umgegangen werden kann. John Hughes brauchte für Ferris macht blau wenig und holt doch mehr als andere heraus.

Zwei Jungen und ein Mädchen machen blau und der Schulleiter verfolgt sie. Mehr passiert nicht, aber der Spaß ist gewaltig. Wie Blake Edwards dehnt Hughes seine Szenen, beutet ihr komisches Potential aus, bis sie in Einzelteile zu zerfallen drohen, um sie dann durch Beschleunigung wie­der zu verschmelzen. Durch Kamerabewegungen werden die Gags systematisch aufgebaut ihre Struktur wird nach außen gekehrt Im Räder­werk des Humors wird der Schulleiter unbarm­herzig zermalmt Wie bei jeder guten Slapstickkomödie kann Humor unglaublich grausam sein.

John Hughes ist eines der größten neueren amerikanischen Komödientalente, kennt sich in ihren Funktionsweisen aus und führt seine ju­gendlichen Stars – hier Matthew Broderick (WAR GAMES) – zu komischen Glanzleistungen. Er be­herrscht die Tempo- und Stimmungswechsel, die den Rhythmus bestimmen und einen differen­zierten Zugang zum Thema ermöglichen. Manch­mal geht er jedoch mit seinem Können gar zu verschwenderisch um, verliert den festen Zugriff auf seine Geschichte, wodurch die Filme an man­chen Stellen unfertig und roh wirken.

John Jughes‘ Filme als Regisseur (BREAKFAST CLUB und L.I.S.A.) und als Produzent (ST. ELMO’S FIRE und PRETTY IN PINK) spielen an der Schwelle von Schule und Beruf, erzählen von Jugend­lichen, die Erwachsene spielen, um sich noch ein­mal zu beweisen, daß sie keine sind. Damit mischt sich Trauer in die leichtfüßige Inszenie­rung, ein Bewußtsein entsteht vom Verlust der Kindheit in der man noch ein letztes Mal aus der Verantwortung befreit werden, in der Handeln noch folgenlos bleiben kann. Das ist für eine Komödie ein ganz schön grausames Thema.

(In München im Sonnen und Marmorhaus.)

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