17. Dezember 1986 | Süddeutsche Zeitung | Literatur, Rezension | Die Jagd nach dem verschwundenen blauen Volkswagen

Hartgekochtes Ei

Eine Parodie des Detektivromans von Gerald Locklin

GERALD LOCKLIN: Die Jagd nach dem schwundenen blauen Volkswagen. Maro-Ver­lag, Augsburg 1986. 128 Seiten, 15 Mark.

Mörder, Frauen, Opfer. Alle seien sie gleich, nörgelt der Beste Schnüffler schon zu Beginn. Tatsächlich geht es los „wie in einem dieser Gangsterfilme“. Die Braut, die anfangs sein Büro betritt, ist rank und schlank, sexy, aber unschul­dig, und hat einen Auftrag zu vergeben: Geschichten sind eben auch alle gleich. Der Autor Gerald Locklin weiß das und rechnet damit. Er war im Kino, hat Krimis gelesen und deren Strickmuster studiert. Dabei hat er herausgefun­den, daß es heute nicht darauf ankommt, neue Geschichten zu erfinden, sondern die alten neu zu arrangieren. Genüßlich zerlegt erden Mythos des amerikanischen, privat eye mit „seinen unver­rückbaren Prinzipien“, haut das Regelwerk des Detektivromans in Stücke. Folgerichtig sind die einzelnen Kapitel selten länger als eine halbe Seite. Nicht nur deshalb liest sich das Buch flott und kurzweilig.

Sein Erzählen erinnert an mündliche Überlie­ferung – sowohl in seiner Unfertigkeit und Inkon­sequenz, als auch in der Geradlinigkeit, durch die sich selbst Abschweifungen, Rückblenden und Umwege in den Fortgang der Geschichte fügen.

Wie sich der Beste Schnüffler durch die Hand­lungselemente des Genres bewegt, erinnert durchaus an Boris Vian. Aus dem Motiv der Lei­che im Teppich wird ein Teppichgroßhandel, in dem er 200 versteckte Leichen findet. An ihren Grenzen zerfällt Locklins Welt zum surrealen Chaos, dem mit Methode nicht mehr beizukom­men ist. Der Ausdruck „hardboiled fiction“ be­zieht sich folglich nicht mehr auf hartgesottene Methoden, sondern auf die hartgekochten Eier, die der Schnüffler wegen der Kartoffelsalate sei­ner Großmutter liebt Kalauer, spöttische Ein­würfe und saukomische Anmerkungen zerstören jeden Anflug von Illusion. „Ach Scheiße, ich bin immer noch nicht fertig mit der Geschichte. Und Sie sind noch nicht fertig mit Lesen“, heißt eine der Kapitelüberschriften, die Locklin wie Schrift­tafeln einsetzt.

Bei Marlowes Fällen blickte nicht einmal Chandler selber so richtig durch. Die Jagd nach dem verschwundenen blauen Volkswagen ist vollends undurchsichtig und dazu so sinnlos wie die Suche nach einem Baum im Wald. Also gilt: „Es hat nicht viel Sinn, auf das Wahrnehmen von Details einen Haufen Zeit zu verschwenden.“ Die Lösung findet man heutzutage ohnehin viel schneller in Krimis. Auch wenn die Schnüffler dort mit der Realität nicht viel zu tun haben: „Schnüffler in Filmen erledigen einen Kater mit zwei Aspirintabletten und einer Tasse schwarzen Kaffee in einer halben Stunde. Bullshit.“

Und einmal sagt Locklins Held auch: „Großar­tiges Buch. Viel zum Lachen, viel Schweinereien.“ Da hat er nicht unrecht.

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