28. Oktober 1996 | Focus Magazin | Filmkritiken, Rezension | Crash

Sex und Stahl im CRASH-Test

Die unterkühlte Erotik von Verkehrsunfällen: David Cronenberg läßt es krachen

Kalter Stahl und warmes Fleisch: Es beginnt mit einer Frau, die sich in einem Hangar an ein Flugzeug schmiegt und einem Fremden hingibt. Ihr Mann vergnügt sich derweil seinerseits mit einer anderen. Aber der Sex scheint seltsam seelenlos, eine Obsession, bei der das Herz kaum bei der Sache ist. So stehen sie kopulierend auf ihrem Balkon und blicken auf den Verkehr der verschlungenen Highways.

Eine Leere ist hier am Werk, die in immer wilderen Kicks Erfüllung suchen muß. Und Deborah Unger und James Spader spielen das Paar so blaß und blasiert, daß man von einer idealen Besetzung für diese Verfilmung eines Romans von J. G. Ballard sprechen muß.

Bei einem Frontalzusammenstoß, den der Mann kurz darauf verursacht, ist der Fahrer des anderen Wagens auf der Stelle tot, dessen Ehefrau (Holly Hunter) aber überlebt. Es entwickelt sich jedoch kein Drama um Schuld und Sühne, sondern eine erotische Beziehung, die wie ein bizarres Echo auf den Zusammenprall wirkt.

Die beiden Unfallopfer geraten immer weiter in den Sog der sexuellen Aufarbeitung ihres Crashs und begegnen dabei gleichgesinnten Freaks um einen abstrusen Wissenschaftler (Elias Koteas). Mit Videos von Unfällen befriedigen diese ihre Gelüste, delektieren sich an ihren Narben, Wunden und Brüchen und stellen unter Einsatz ihres Lebens berühmte Autounfälle nach: James Dean, Jayne Mansfield und Albert Camus. Sie träumen vom finalen Crash, von der Verschmelzung von Fleisch und Stahl, dem Höhepunkt ihrer erotischen Phantasien.

CRASH ist in seiner Fixierung auf Sex und Stahl geradezu enervierend, aber Regisseur David Cronenberg (DIE FLIEGE, DEAD RINGERS) gelingt es, aus der grausigen Banalität der Unfälle eine beinahe religiöse Erfahrung zu machen, in der die körperlichen Verunstaltungen als eine Art Fetisch zelebriert werden. Das hat den Kanadier schon immer von seinen Kollegen unterschieden: daß er die Konsequenzen des Schreckens mit einer Sympathie betrachtet, die über bloße Neugier weit hinausgeht.

Er träumt von einem neuen Menschen, der nicht nur psychisch auf die Veränderungen seiner Umwelt reagiert, sondern vor allem physisch. In seinem neuen Werk heißt das: „Umformung des menschlichen Körpers durch die moderne Technologie“. Und wenn am Ende seine CRASH-Helden in ihrem Blut liegen, dann ist das für Cronenberg durchaus eine Art Happy-End.

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