11. August 1990 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Bis zum letzten Mann

Druckt die Legende!

Helden sind wichtig: John Fords Western BIS ZUM LETZTEN MANN mit Henry Fonda

Der Wilde Westen war von jeher ein Land der Legenden. Die Mythologisierung folgte den Siedlern auf dem Fuß. Es mußte nicht erst das Kino kommen, um den Helden des Westerns Format zu verleihen. Sie hatten längst selbst dafür gesorgt. Der zentrale Satz zu diesem Thema stammt aus John Fords Film DER MANN, DER LIBERTY VALANCE ERSCHOSS Da kehrt jener Mann nach Jahren zurück, um die Wahrheit zu erzählen: Es war ein anderer, der damals Liberty Valance erschoß. Aber der Zeitungsmann erwidert darauf nur: „When tho Legends becomes fact print the legend“, Darauf läuft alles hinaus: Wenn die Legende Wirklichkeit wird, druckt die Legende!

Davon erzählt John Ford auch In BIS ZUM LETZTEN MANN, im Original FORT APACHE, der heute um 11.03 Uhr im ARD-Vormittagsprogramm zu sehen. Henry Fonda spielt darin einen ruhmessüchtigen, verbitterten Colonel, der seine Männer blindwütig in eine aussichtslose Schlacht gegen die Indianer führt. Ein entferntes Vorbild des Colonels ist General Custer, der sein Regiment am Little Bighorn in den Tod ziehen ließ und dennoch zur Legende wurde. Und John Ford erzählt, wie daraus die Legende von einer „glorreichen Attacke“ entsteht.

Peter Bogdanovich sprach 1967 mit Ford über dieses Thema, befragte ihn zur Bedeutung von Legenden im Western: „Ich ; denke, es ist wichtig für das Land. Wir haben eine Menge Leute, die große Helden gewesen sein sollen, und Sie wissen verdammt gut, daß sie es nicht waren. Aber es ist gut für das Land, Helden zu haben, um zu ihnen aufzublicken. Wie General Custer – ein großer Held. Nun, er war’s nicht. Nicht, daß er ein törichter Mann war – aber er tat einen törichten Job an diesem Tag. Oder Pat Garrett, der ein großer Western-Held ist. Er war nichts dergleichen. Es wird behauptet, er habe Billy the Kid erschossen – in Wirklichkeit war es einer seiner eigenen Leute. Auf der anderen Seite haben Legenden natürlich immer irgendeine Grundlage.“

Bogdanovichs Geschichte hat ein wunderbares Ende. Etwas Schöneres hat keiner über John Ford geschrieben: „Als ich John Ford das letzte Mal sah. war er
wieder im Bett: Es war etwa drei Monate, bevor er starb. Ich war mit Howard Hawks gekommen, und Ford gewährte uns fünf Minuten, in denen er mich mit den üblichen Spott wegen meiner unablässigen Fragerei überzog: „Howard, fragt er dich auch all diese verdammten Fragen?“ Hawks nickte grinsend. Er und Ford und ich taten so als habe sich nichts geändert. Als wäre Ford nicht blaß und schwach und würde nicht nur 98 Pfund wiegen und unerträgliche Schmerzen haben. Ich hatte den Raum etwas zu früh betreten und gerade noch gesehen, wie Ford mit seiner Zigarre eine betont beiläufige Pose einnahm. Er zog nonchalant daran, bis wir gingen. Einmal rief ich ihn noch von Europa aus an, aber er konnte mich nicht hören. Katherine Hepburn besuchte ihn
oft. Und am Tag vor seinem Tod, kam Wayne. „Kommst Du zur Totenwache Duke?“, fragte Ford. Seine letzten Worte waren: „Könnte ich bitte eine Zigarre haben?“ Er rauchte seine Zigarre zu Ende und starb drei Stunden später.“

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