02. Februar 1988 | Die Zeit | Filmkritiken, Rezension | Bestseller

BESTSELLER von John Flynn

Das gibt es, daß aus Polizisten Schriftsteller werden. Wie Joseph Wambaugh oder Robert Daley. Das gibt es, daß ein Killer seine Geschichte schreiben läßt, um besser dazustehen. Vor sich selbst und vor den anderen. Das gibt es in Amerika. Und das Kino kann damit etwas anfangen. Bei uns gibt es das nicht. Weil man hier nicht Bullen und Verbrecher als zwei Seiten derselben Medaille zeigen kann. Da beschweren sich die Zuschauer und die Polizei sowieso. So sehen unsere Fernsehkommissare dann auch aus. John Flynns Film sieht anders aus. Weil Dinge einfach passieren und also Raum lassen – für die Gedanken der Zuschauer, nicht für die Erklärungen des Regisseurs. Eine klare Angelegenheit: Der Bulle, der über seine Arbeit einen Bestseller geschrieben hat, bringt nach dem Tod seiner Frau keine Zeile mehr zu Papier. Der Killer wurde von seinem ständigen Auftraggeber, einem angesehenen Bürger, fallengelassen. Jetzt will er sich rächen, indem er seine Geschichte erzählt. Und der Bulle soll sie schreiben. Die beiden brauchen einander. Der Film funktioniert, er läuft ab wie ein Uhrwerk. Dadurch treten die Reibungen deutlicher zutage. Anderswo nennt man das Poesie. Wenn auf einmal der Killer am Klavier in einer Hotelbar steht und „Plaisir d’amour“ singt, so einfach, so traurig. Dann macht er eine Frau an und wird wieder so gerissen, kaltblütig und scheißordinär, daß man ihm die Fresse polieren möchte. Was der Bulle auch prompt erledigt. Die Hauptrollen spielen James Woods und Brian Dennehy und sind dabei schon eine Klasse für sich. Ohne jeden Starkino-Firlefanz, so als wären sie nie etwas anderes als Killer und Bulle gewesen. Am Ende kriegen beide, was sie wollten. Zu einem hohen Preis. Da erschließt sich auch der Anfang, wo die Kamera durch eine Tiefgarage fährt. Mit jeder Überblendung rückt sie unmerklich eine Etage höher. Bis schließlich die Auffahrtsrampe in Sicht kommt, und man geblendet ins Freie tritt. So ist der Film.

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