24. Juni 1988 | Die Zeit | Filmkritiken, Rezension | Die Affäre Aldo Moro

DIE AFFÄRE ALDO MORO von Giuseppe Ferrara

Am 9. Mai 1978 wurde im Kofferraum eines unweit der Parteizentrale der italienischen Christdemokraten geparkten roten Renaults die Leiche Aldo Moros gefunden. 55 Tage, nachdem die Roten Brigaden ihn entführt und fünf Mann seiner Eskorte erschossen hatten. 55 Tage, die Land und Leute nachhaltig erschütterten. Umberto Eco sagte später, die Ohnmacht der Intellektuellen sei ihm damals schmerzhaft bewußt geworden. Um das dabei entstandene schwarze Loch habe er dann seinen Kriminalroman gesponnen. Regisseur Giuseppe Ferrara erzählt dagegen direkt aus dem schwarzen Loch, aus jenem Gelände, das eine Menge Fragen schlucken kann, ehe es wieder Antworten ausspuckt. Seine These ist – und die Briefe aus der Geiselhaft bestätigen es –, daß Moros Tod vielen politischen Freunden und Feinden nicht ganz ungelegen kam; daß die harte Linie in den Verhandlungen mit den Entführern weniger eine Frage des Prinzips als vielmehr der Opportunität war. So wurde der Fall Aldo Moro zur Affäre. Ferrara macht daraus einen Politthriller, der auf die Abläufe mehr Wert legt als auf die Zusammenhänge. Beängstigend nüchtern und präzise spulen sich die Fakten ab, die auf die Person Moros wie auf ein schwarzes Loch zustürzen. Alle Linien des Films führen dorthin, alle Gedanken werden von der Sympathie für das menschliche Opfer geschluckt. Gian Maria Volonté spielt Moro würdig und aufrecht, todesergeben und hoffnungsvoll. Schon einmal, 1976, war er in einem kaum verhohlenen Porträt des Politikers zu sehen. In Elio Petris TODO MODO war er das Sinnbild des bigotten, korrupten Bonzen, der am Ende des Films bei einem Attentat umkam. Von dort aus betrachtet ist DIE AFFÄRE ALDO MODO die Tragödie eines lächerlichen Mannes.

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