10. November 1987 | Süddeutsche Zeitung | Bericht, Weitere Festivals | Festival der Filmhochschulen 1987

Lauter Sieger

Das 7. Internationale Festival der Filmhochschulen

Erwartungen, Hoffnungen, Enttäuschungen. Für die angereisten und angehenden Regisseure mußte es die Hölle sein. Warten auf die Reaktion des Publikums. Zehn Minuten oder länger. Höflicher Beifall war das Schlimmste, was passieren konnte. Das zeugt von der Freundlichkeit der Zuschauer, aber auch von ihrer Unbarmherzigkeit. Die Glücklicheren hatten ihre Claque dabei. Womit nichts über die Qualität des Publikums, aber alles über die Gnadenlosigkeit eines solchen Festivals gesagt ist. Als Regisseur braucht man schon ein dickes Fell, ein robustes Gemüt und starke Nerven. Auch bei dieser Woche in München, auf der es eigentlich keine Verlierer geben kann: Denn wo gibt es sonst schon so ausgiebige Chancen zum Austausch und Vergleich? Sieger
bleibt also immer das Festival.

Wären Wenders‘ frühe Kurzfilme in diesen Programmen aufgefallen? Hätte sich das Publikum für die minutenlangen Blicke aus dem Autofenster oder auf die Beine eines Flüchtenden erwärmen können? Hätte der frühe Fassbinder dort eine Chance gehabt? Oder wären die Straubs gar ausgepfiffen worden? Solche Fragen tauchen in diesem Rahmen auf und vielleicht sind sie müßig. Denn in der Fülle der Eindrücke sind die in sich runden, abgeschlossenen Werke zwangsläufig im Vorteil. Geduld ist keine der Tugenden des Festivals und kann es auch gar nicht sein. Der Betrieb dort ist so gnadenlos wie der Markt selber. Der Wettbewerb dort bildet den späteren Wettbewerb um Zuschauerzahlen schon sehr genau ab. Das ist allemal lehrreich. Außerdem laufen selbst bei Retrospektiven im Filnmuseum die Leute reihenweise aus Wenders‘ SUMMER IN THE CITY raus. Seine Filme hätten hier also vieleicht keine Chance gehabt. Über die Qualität des Festivals und der Jury sagt aber auch das nichts aus.

Ob Filme gut oder schlecht seien, habe ihn hier überhaupt nicht interessiert, sagte der Jury-Präsident Laurens Straub. Wichtiger sei ihm gewesen, ob es was zu sehen gab. Tatsächlich verbieten sich an diesem Ort solche Beurteilungen. Daß man dennoch immer wieder auf sie zurückkommt, hat im Grunde nur damit zu tun, daß in den Kinos heutzutage kein Platz mehr ist für Kurzfilme. Inmitten der witzigen Ideen und amüsanten Einfälle stellte sich immer wieder die unvermeidliche Frage: Hätte der Mann auch die Kraft für volle neunzig Minuten? Woran man nur sieht, wie wichtig es wäre, in den Kinos wieder einen Markt für Kurzfilme zu schaffen. Dann müßte nicht jeder unfertige Regisseur seine Stoffe auf Spielfilmlänge auswalzen, um Öffentlichkeit zu erreichen. Dann bliebe den Regisseuren mehr Zeit, ihr Medium zu erproben. Doch den Markt ist ungeduldig.

Jeder der Siegerfilme wäre als Vorprogramm eine Bereicherung für das Kino: Die kurzen Zeichentrickfilme der dieses Jahr siegreichen Filmhochschule aus Sofia wie die originelle Animation des Royal College of Art Strangers in Paradise, der ruhige dänische Beitrag von Susanne Bier De Saliges wie der polnische von Maciej Dejczer Dzieci Smieci An den Siegern konnte man sehen, daß die Zeit der ewigen Genre-Parodien vorbei ist und sich die Studenten statt dessen darauf besinnen, die Möglichkeiten ihres Mediums auszuprobieren, mit Stilen zu experimentieren und mit ihrer Kamera etwas zu erzählen. Es gab etwas zu sehen.
Gemäß

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