Wie sich die Bilder gleichen
Das New York Filmfestival Downtown 1985
Ein leichter Wind weht, wo ein Sturm toben sollte, die Oberflächen kräuseln sich, wo sie eigentlich aufreißen sollten. Am Horizont blüht ein Atompilz, dessen Erschütterung allenfalls Erinnerungen auslöst. Die Gewalt hat ihre zerstörende Kraft eingebüßt, weil sie nur noch als Zitat wiederholt wird. Die Auswahl des New Yorker Downtown Festivals, die zur Zeit im Werkstattkino zu sehen ist, bietet wenig Neues, und kaum etwas, das nicht bereits die Avantgarde-„Veteranen“ Maja Deren, Kenneth Anger oder Stan Brakhage gezeigt hätten.
Das entsprechende Bild stammt aus Sokhi Wagners cwo auf einer von Dunkel umgebenen Leinwand ein Film abläuft. Wenn sich die Kamera dann nähert, löst sich das Bild langsam auf, zerfließt zu beinahe abstrakter Grobkörnigkeit. Der Zuschauer taucht in die Bilder ein, ohne daß er ihre Bestandteile noch zur Illusion zusammenfügen könnte. Ob Nachrichtenbilder aus dem Fernsehen oder Filmbilder aus Hollywood: die Herrschaft darüber wird ihren Urhebern entwunden. Doch die neuen Herren wissen mit ihrer Macht oft genug nichts anzufangen. Das Zitieren ist selbst bereits Zitat, die Mechanismen wiederholen sich. Die Avantgarde, der Underground – ein Genre mit starren Regeln: das ist ein Widerspruch. FALL IN A FAINT, EROTIC PSYCHE oder PLAY BOY gleichen sich in der Art, wie sie Vorgefundenes montieren. Sex und Gewalt: wie sich die Bilder gleichen. Auch die eigenen Bilder reichen manchmal kaum weiter, wenn erwa 1erry Stacey in LIVE AMMO Amos Poe zitiert, wie er Godard zitiert, der die alten Bogart-Filme zitiert, dann reduziert sich dieses Verfahren auf den bloßen Filmstudenten-Gag, der im Publikum mitleidiges Gelächter hervorruft.
Das Böse, das andere, das im kommerziellen Betrieb nicht möglich ist, wird allenfalls proklamiert, selten jedooh eingelöst. Meistens tritt es nur als augenzwinkender schwarzer Humor in Erscheinung. Wenn sich in MANHATTAN LOVES SUICIDES ein Mann selbst zerfleischt, oder in BLOODY NIGHTS ein anderer immer wieder Serviererinnen umbringt, dann erschrickt im Kino keiner mehr. In dem besten Film des Programms – TOTEM OF THE DEPRAVED von Ela Troyano – spielt der Underground-Regisseur und -Darsteller Nick Zedd einen Pornodarsteller, der auf den Regisseur wartet und sich unterdessen mit seinen Partnerinnen vergnügt. Die Vermischung von Inszenierung und vorgeblich Uninszeniertem, von Distanz und Illusion, von ungenierter Offenheit und schembarer Intimität, setzt hier etwas in Gang, was über die Bilder hinausweist. Von Zedd wird berichtet, er habe bei einer Vorführung von Bubble People, den er mitinszeniert hatte, versucht, den Film aus dem Projektor zu reißen, um die Szenen seines Partners zu zerkratzen. Er hielt sie schlicht für „zu künstlerisch“. Ein Glück für die anderen Regisseure, daß Zedd nicht in München ist.