08. Januar 1997 | Süddeutsche Zeitung | Photographie, Rezension | Smoking Women

Nadja raucht. Diese zwei Worte genügen, um Leben in dieses Bild zu bringen. Auf einmal zeigt das Photo nicht nur einen Raum, sondern auch die Zeit und wie sie verstreicht. Es ist, als versehe die heruntergebrannte Zigarette die Aufnahme mit einer Lunte. Wo die Schönheit der Models sonst nur von der Gegenwart kündet, da kann sich der Betrachter auf einmal auch ein Nachher vorstellen. In wenigen Sekunden wird Nadja die Zigarette ausdrücken oder austreten müssen. Das ist vielleicht nicht viel Nachher, aber ein Anfang, der zu den schönsten Phantasien berechtigt. Smoking Women heißt die Photoserie von Peter Lindbergh, die in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt ausgestellt und als Portfolio (29,90 Mark) erschienen ist. Nicht nur Nadja Auermann raucht hier; auch Kristen, Linda, Tatjana, Eva und wie sie alle heißen, die ihr Gesicht hinhalten, wenn es darum geht, der Schönheit Ausdruck zu verleihen, sie alle rauchen. Das wird die EG-Gesundheitsminister nicht freuen, aber so, wie Lindbergh seine Modelle inszeniert, geht es eigentlich weniger um den Genuß als um das, was die Zigaretten mit der Imagination anstellen. Auf einmal bekommen die Körper der Frauen Lungenflügel, die inhalieren, Lippen, die nach Tabak schmecken, eine Präsenz, die nach Wirklichkeit riecht. Wo sonst die Phantasie leer bleibt, da ist es hier, als würde dem Betrachter der Rauch beißend in die Augen steigen.

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