02. März 1985 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | White Star

Der Profi mit dem falschen Riecher

Roland Klicks Film WHITE STAR

Erfolg ist heute eine Frage der Strategie. Denn dessen Machbarkeit ist mittlerweile erforscht und analysiert, dafür gibt es Leute, die sich beruflich damit beschäftigen. Barlow (Dennis Hopper) war einst Tour-Manager der Rolling Stones. Dieser Zeit der „Sex, Drugs & Rock ’n‘ Roll“ trauert er nach, denn damals hätte es, so sagt er, noch „richtige“ Stars gegeben.

Barlow hat eine Vorstellung von den Methoden, mit denen man heutzutage Musiker zu Stars macht, und versucht mit diesen Mitteln, dem jungen, unerfahrenen Moody Mudinsky (Terence Robay) zum Erfolg zu verhelfen. Dabei geht es ihm weder um Selbstlosigkeit noch um Freundschaft, sondern einzig und allein darum, der Welt und vor allem sich selbst zu beweisen, daß er noch mithalten kann. Ein Amateur-Marketing-Stratege sozusagen, mit dem alten Glauben, daß ein Mann mit Professionalität jeden Job bewältigen kann.

Berlin, Ende der siebziger Jahre, auf dem Höhepunkt der Punk-Bewegung. Eine Zeit also, die reif war für gesunde Helden, für WHITE STAR. Denn mit dem, was nicht aneckt, die Bürger nicht verschreckt, läßt sich allemal ein größeres Publikum finden. Barlow weiß das, und er versucht, sich das zunutze zu machen. Er arrangiert für Moody einen Auftritt auf einer Punk-Bühne. Natürlich provozieren Moodys Sphärenklänge das Publikum. Mit einem Helfer inszeniert Barlow einen Krawall, die Polizei rückt an. Wie geplant, berichtet die Presse darüber. White Star Moody, der brave Junge von nebenan, der doch nur Musik machen will, wird von den bösen Buben verprügelt. Das liest man gern, das erweckt Mitleid und bringt Geld.

Also macht Barlow weiter, arrangiert Zwischenfälle, baut das Schwiegersohn-Image seines Schützlings konsequent auf. Er plakatiert White-Star-Poster, ohne daß das Programm für eine Tour vorläge; er bringt den Namen in Presse und Rundfunk, bis endlich eine Plattenfirma viel Geld bietet und Moody unter Vertrag nehmen will. Doch mittlerweile hat er die Schraube überzogen. Bei einem fingierten Pressetermin erschießt Barlows Helfer ein junges Mädchen, anstatt sie, wie Barlow sich das vorstellte, nur leicht zu verletzen. Moody steht unter Schock, nimmt Drogen, um zu vergessen. Aus dem geplanten medienwirksamen Krankenhausbesuch bei dem Mädchen wird ein Fiasko, Moody benimmt sich überhaupt nicht wie der nette Junge von nebenan. Der Vertrag mit der Plattenfirma platzt. Barlow ist aus dorn Geschäft: „Ich hab mich nicht geändert, sondern die Zeiten.“ Daran ist er gescheitert.

Für die Rolle des Barlow konnte Regisseur Roland Klick, der „White Star“ auch selbst produzierte, den New-Hollywood-Star Dennis Hopper gewinnen. Was eigentlich ein Glück sein sollte, erweist sich in WHITE STAR als Problem. So großes Vertrauen hat Klick anscheinend in seinen Star, daß er darüber alle anderen Figuren aus den Augen verliert. Da fängt scheinbar eine Liebesgeschichte zwischen Moody und Mascha an, später kommt Mascha dann überhaupt nicht mehr vor.

So groß wie Barlows Wille, alles unter Kontrolle zu haben, auch wenn es schon nichts mehr zu kontrollieren gibt, ist anscheinend auch Klicks Faszination an dieser Figur. Sein ausschließlicher Blick auf Barlow läßt Beziehungen zwischen diesem und anderen Figuren nicht mehr zu. WHITE STAR ist ein einziger, gigantischer Monolog, eine Demonstration des schauspielerischen Könnens von Dennis Hopper. Der hätte allerdings eine etwas stärkere Regie-Hand dringend nötig gehabt. Denn er übertreibt schamlos, zieht alle Register, schreit und gestikuliert, ohne daß das noch in einem vernünftigen Verhältnis zu seiner Rolle stünde.

Klick ist so fixiert auf diese Figur, daß sein Film sich deren Weltbild zu eigen macht. Die Vereinfachung der Mechanismen, die Typisierung der Figuren, das hat Klick aus dem von ihm bewunderten klassischen Hollywood. Aber dort bestand immer eine Beziehung zwischen dem Helden und seinen „supporting actors“, bei Klick verschwinden sie völlig, sind sie nur Beiwerk.

Mit DEADLOCK und SUPERMARKT hatte Klick bewiesen, daß er zu den wenigen deutschen Geschichtenerzählern gehört, doch in WHITE STAR macht er genau das Gegenteil. Er ordnet nicht die Figuren der Geschichte unter, sondern die Geschichte einer einzigen Figur. Als könne er dadurch selbst zur vielbeschworenen Starbildung beitragen.

(In München in den Museums-Lichtspielen).

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