TANGO MORTALE von Patrice Leconte, MEIN LEBEN IST DIE HÖLLE von Josiane Balasko
Nichts zu lachen
Die Kamera fährt durchs Gras, an einer Straße entlang, an ein paar Schulkindern vorbei, bleibt stehen, eilt zurück zu den Kindern und blickt an ihnen hoch. Um diesen Anfang von Patrice Lecontes TANGO MORTALE herum gerät einiges in Bewegung: Autos, Flugzeuge und vor allem aber die Kamera. Die Perspektive, die Umkehr, all das scheint zu sagen: Ich bin auch hier. Und ich mache, was ich will.
Es kann wunderbar sein, wenn die Kamera im Kino außer Rand und Band gerät. Wenn sie davoneilt, abhebt oder zupackt. Hier soll sie Aufmerksamkeit erregen und Bewegung schaffen, wo keine ist. Die Kamera ist Patrice Lecontes Brechstange. Alles an diesem Film ist erzwungen; nichts errungen, nichts gewonnen, nichts verdient. Ein Regisseur tanzt mit seiner Kamera Tango. Die Stars sind Statisten.
Ein Mann (Thierry Lhermitte) kann das Flirten nicht lassen. Über die Schulter seiner Frau (Miou-Miou) liebäugelt er mit anderen. Aus Rache läßt sie sich von ihm überraschen, während sie mit dem Postboten – Augenzwinkern – im Bett ist. Wie eine Wilde rutscht sie vor den Augen des Mannes auf ihm herum. Man sieht: keinen Schmerz, keine Liebe, nichts. Nur Miou Miou in einer demütigenden Szene.
Sie wird ihren Mann verlassen, und er wird seinen Onkel bitten, jemanden zu finden, der sie umbringt. Der Onkel (Philippe Noiret) hat gerade als Richter einen Piloten (Richard Bohringer) freigesprochen, der sich seiner Frau entledigt hat, indem er sie beim Looping nicht anschnallte. Zu dritt machen sie sich auf den Weg und träumen von einer Welt ohne Frauen – großes Augenzwinkern.
Patrice Leconte hat zuletzt DIE VERLOBUNG DES MONSIEUR HIRE gedreht und DER MANN DER FRISEUSE, eines der leichtfüßigsten Melodramen überhaupt. Bei TANGO MORTALE ist ihm der Schritt auf einmal so schwer geworden, daß man jeden Witz schon von weitem nahen hört. Das ist im dritten Film von Josiane Balasko, die man vielleicht als weniger Schöne aus Bertrand Bliers ZU SCHÖN FÜR DICH kennt, kaum anders. Wenn sie als graue Maus beim Psychiater (Richard Berry) liegt, der zu ihren Bekenntnissen gelangweilt in seinem Block Notizen macht, dann sieht man in der nächsten Einstellung natürlich, daß er dabei den Einkaufszettel ersteilt hat. Der verrückte Zahnarzt, der geile Nachbar, die graue Maus, das sind alles Typen, die unseren Vorstellungen so genau entsprechen, daß MEIN LEBEN IST DIE HÖLLE nie richtig vom Boden wegkommt.
Dabei wäre die Geschichte vom Teufel (Daniel Auteuil), der versehentlich mit der falschen Frau einen Pakt abschließt, phantastisch genug, um der Schwerkraft zu entfliehen. Erst sieht die Heldin, daß das Leben als blonde Sexbombe auch kein Zuckerschlecken ist, und dann, daß auch der Teufel nur ein Mensch ist. Wenn er will. Oder wenn er muß, weil ihn der Erzengel Gabriel (Michel Lonsdale) auf die Probe stellt. Die wahre Liebe ist jedenfalls teuflisch, und selbst die Hölle bringt nicht mehr zustande als eine Ehe.
Mit der Liebe ist nicht mehr viel los in diesen Filmen. Nichts knistert oder funkelt, die Seitensprünge sind langweilig und die Ehe auch. Damit das anders wird, schickt ein Ehemann (wieder Thierry Lhermitte) seiner Frau (Caroline Cellier) anonyme Liebesbriefe. Er beobachtet ihren allmählichen Verrat, wenn sie den Anweisungen der Briefe folgt, um den Betrug dann selbst zu vollziehen. So bleibt es wenigstens in der Familie. Jean Poiret, auch ein Schauspieler, der vor seinem Tod im letzten Jahr zum Beispiel den Inspektor Lavardin bei Chabrol spielte, erzählt in DAS ZEBRA von einem versponnenen Plan, der aus der Liebe wieder ein Abenteuer machen soll. Aber statt dem charmanten Einfall zu vertrauen, macht er auch aus dem Mann noch einen Spinner. Und weil dem alles zuzutrauen ist, traut man bald auch der Geschichte nicht mehr. Tatsächlich erzwingt sie ein Ende, das auch vor dem Tod nicht Halt macht. Als gelte es, am Schluß immer einen Deckel zuzuklappen.
Zusammen mit Poirés DIE BESUCHER, Coline Serreaus KRISE oder Jugnots VERRÜCKTE ZEITEN ergibt sich aus den Filmen der letzten Monate ein eher trübes Bild der französischen Komödie Über den französischen Film sagt das dennoch nicht viel. Außer daß er nichts zu lachen hat. Aber es gibt immer noch Regisseure wie Chabrol oder Tavernier, Assayas oder Blier. Und ein gutes Dutzend anderer, auf die man hier lange warten kann.