16. Dezember 2000 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | The Sixth Day

Ich ist kein Anderer

Nachdem Schwarzenegger auch nicht mehr ganz der Alte ist, reicht ein Arnold nicht mehr: In THE 6TH DAY müssen es schon zwei sein.

Hier in Süddeutschland ist das vielleicht noch nicht so aufgefallen, aber Tatsache ist, dass sich das Feuilleton der Kollegen von der so genannten FAZ seit Monaten quasi nur noch nebenbei mit Kultur beschäftigt, aber dafür um so hingebungsvoller mit der Entschlüsselung des menschlichen Erbguts und anderen Dingen, die man plötzlich nicht mehr als Zukunftsmusik bezeichnen mag. Das Ziel ist klar: Das Geheimnis des FAZ-Feuilletons soll entschlüsselt werden, damit man es klonen und identisch auf die Kulturteile anderer Zeitungen übertragen kann – erste Erfolge zeichnen sich schon ab.

Nun hat sich Hollywood daran gemacht, mit viel Geld und einem großen Star das so genannte Genom-Feuilleton der FAZ zu verfilmen. Alles, was dort wortreich verhandelt wurde, findet sich nun auf der Leinwand. Was Ray Kurzweil, Bill Joy, Craig Venter oder Jeremy Rifkin zur Neuerschaffung der Welt gesagt haben, wurde in einen großen Mixer getan und zum Drehbuch verwurstet. Und im Grunde kann man sagen, dass Arnold Schwarzenegger in THE 6TH DAY in der Rolle des Frank Schirrmacher zu sehen ist. Und das hat auch durchaus seine Folgerichtigkeit, denn der FAZ-Herausgeber und neugeborene Science-Fiction-Fan hat noch im August geschrieben: „Jahrzehntelang hat eine alteuropäische Besorgniskultur nach den Wirkungen Hollywoods auf kindliche Seelen gefragt. Und jetzt, wo gleichsam die Ernte eingefahren wird, wo wir mit den Resultaten von Captain Kirk als Erzieher konfrontiert werden, nur Hohn und Spott? Hat denn nicht wenigstens die professionelle Kultur- und Literaturkritik bemerkt, was hier vor sich geht?”

Man kann sich vorstellen, mit welchem Hallo diese Sätze in der professionellen Filmkritik aufgenommen wurden, die – zumindest außerhalb von Frankfurt – mit RAUMSCHIFF ENTERPRISE groß geworden ist und Schwarzenegger ohne jede Besorgnis als Terminator gefeiert hat. Und natürlich ist es richtig, gerade die massenkompatiblen Produktionen aus Hollywood genauer und vor allem vorurteilsfrei anzusehen, weil darin die Gussformen angelegt sind, in die auch Wissenschaftler ihre Visionen gießen. Dass eine ganze Generation von ihnen mit STAR TREK aufgewachsen ist, wird sie vermutlich genauso geprägt haben wie die Mafiosi im Chicago der Dreißiger, die sich gerne nach dem Vorbild der Hollywood-Gangster kleideten und gerierten. Aber wem sagen wir das?
Nun also wieder Schwarzenegger, dessen Stern den Einspielergebnissen zufolge langsam am Sinken ist, was die Vermutung zulässt, dass es auch dem Maschinenmenschen nicht anders geht als dem Joghurt in unserem Kühlschrank: Er hat ein Verfallsdatum. Und womöglich hat er sich deshalb einem Stoff zugewandt, in dem das Problem der Sterblichkeit gelöst ist. In der nicht allzu fernen Zukunft, die THE 6TH DAY beschreibt, ist das Klonen von Menschen zwar unter Strafe gestellt, aber verstorbene Haustiere werden zur Freude der Kleinen bereits ohne Datenverlust dupliziert. Das nennt sich dann RePet – hübsche Idee.

Die Firma, die dahinter steht, heißt Replacement Technologies und hat sich natürlich längst heimlich über das so genannte Gesetz des 6. Tages hinweggesetzt, das humane Klone untersagt. Wann immer es Schwarzenegger gelingt, einen der Firmenkiller umzubringen, sieht er sich bereits am nächsten Tag dessen Klon gegenüber, dem vom gewaltsamen Tod keine Erinnerung als ein diffuser psychosomatischer Schmerz geblieben ist. Alles Fleisch – es ist nicht mehr wie Gras.

Schwarzenegger spielt einen Hubschrauberpiloten, dem die Genmanipulationen ganz entgegen seinem Image herzlich zuwider sind. Als dieser Mann eines Tages nach Hause kommt, stellt er fest, dass eine Kopie seiner selbst im Kreise seiner Lieben sitzt. Bevor er aber Gelegenheit hat, den Doppelgänger zur Rede zu stellen, sind ihm bereits ein paar Killer auf den Fersen. Der Film hält sich naturgemäß nicht lange mit Feinheiten auf, und im Zweifelsfall wird jeder weitere Tiefgang von Arnold mit den Worten unterbunden: „Genug herumphilosophiert. Lass uns weitermachen!” Wer weiß, vielleicht wird Frank Schirrmacher eines Tages das SZ-Feuilleton aufschlagen und feststellen, dass dort auch schon ein Schirrmacher-Klon sitzt – Hasta la vista, baby!

THE SIXTH DAY, USA 2000 – Regie: Roger Spottiswoode. Buch: Marianne und Cormac Wibberley. Kamera: Pierre Mignot. Musik: Trevor Rabin. Mit Arnold Schwarzenegger, Tony Goldwyn, Robert Duvall, Michael Rooker, Michael Rapaport. Columbia TriStar. 120 Minuten.

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