19. Dezember 1987 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Glasmenagerie

Endstation Methode

Paul Newmans Verfilmung der GLASMENAGERIE

Ob als Schauspieler, Regisseur oder Produzent von Filmen und Salatdressings: Was Paul Newman macht, das macht er mit Methode. Das hat er bei Lee Strasberg gelernt, in dessen Actor’s Studio eine ganze Schauspielergeneration aufs method acting eingeschworen wurde. Sie trugen dort ihre Rollen im Herzen und ihr Herz auf der Zunge. Folglich war Tennessee Williams ihr Mann. Der Dramatiker aus St. Louis machte den Schauspieler, der in seiner Rolle aufgeht, noch einmal zum Herren der Bühne, zum Zentrum und eigentlichen Schauplatz des Geschehens. Seine Stücke waren alle angesiedelt im Labyrinth des menschlichen Herzens. Mit plattem Bühnenrealismus war ihm also nicht beizukommen. Die Bühne konnte und mußte Fluchtraum und Traumland sein.

„Die Farbe, die Grazie und das Schweben, die Harmonie der Bewegung, das intime Zusammenspiel von Menschen – nichts anderes ist das Stück“, sagte einst Williams. Und Newman nahm ihn beim Wort So hat er Regie geführt, anleitungsgemäß und streng nach Methode. Schauspielerkino, vom Feinsten sogar, aber eben mit der Betonung auf Schauspieler und nicht auf Kino. Was auch nicht verwundert, weil Newman nach eigener Aussage in erster Linie eine bleibende Aufzeichnung der großartigen Bühnenversion mit Joanne Woodward und Karen Allen schaffen wollte. Der Film konzentriert seine Aufmerksamkeit so vollständig auf das Spiel der militant mütterlichen Southern Belle Amanda (Woodward) und des zerbrechlichen Glastierchens Laura (Allen), daß er keinen Blick mehr übrig hat für anderes. Alle Bewegung liegt bei den Darstellern. Aber das ist ja schließlich die Essenz des Williamsschen Psychotheaters.

Ein Stück im Imperfekt. Am Anfang kommt Tom nach Jahren zurück ins verlassene Haus seiner Jugend. Er erinnert sich und blickt zurück auf diesen vaterlosen Familienkampf. Der deutsche Kameramann Michael Ballhaus hat die Szenerie ins goldene Licht der Erinnerung getaucht so die ausschließliche Privatheit des Stücks betont und die falsche Familienidylle abgesetzt von der Realität der Depression. Newman ist also streng akademisch vorgegangen und hat das Stück aufgelöst in Schuß und Gegenschuß. Und wenn sich etwas bewegt, dann bewegt sich die Kamera auch.

Einleitend sprach Tom (John Malkovich), er sei kein Zauberer, der die Illusion als Wahrheit verkauft, sondern ein Mann der Bühne, der die Wahrheit mit der Illusion bemäntelt. Aber so hingebungsvoll, wie Newman an Williams Worten hängt kann man sich da nicht so sicher sein.

(In München im Theatiner.)

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