20. Juli 1985 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Die gekaufte Frau

Erbarmen mit den Männern

Marleen Gorris' DIE GEKAUFTE FRAU

Männer sind Schweine. Zumindest solange sie einen Körper und also auch ein Geschlecht haben. So stellt es die holländische Regisseurin Marleen Gorris in ihrem zweiten Spielfilm DIE GEKAUFTE FRAU dar. Ohne Abstriche und ohne Erbarmen schildert sie eine Welt, in der die Beziehungen zwischen den Geschlechtern allein auf Gewalt basieren. Eine brutalere, unbarmherzigere, finsterere Darstellung ist kaum vorstellbar.

Marleen Gorris hat ihren Film in einem Milieu angesiedelt, das von jeher auf einem einseitigen Abhängigkeitsverhältnis beruht. Gekaufter Sex ist, so zeigt es der Film, nur eine andere Form der Gewalt, die Männer Frauen antun. Das Bordell „Happy House“ ist so ein Ort ausgeübter Gewalt, ein Müllabladeplatz männlichen Kopulierdranges. Deutlich wird das, wenn die Putzfrau zu Anfang des Films ans Aufräumen geht: Die Hinterlassenschaft männlicher Sexualität besteht aus gebrauchten Präservativen, Erbrochenem und schmutziger Wäsche. Um das ekelhaft zu finden, muß man kein Feminist sein.

Man sieht auch, wie sich die Frauen mit dieser Art von „Arbeit“, mit diesem Leben arrangieren, wie sie versuchen, damit zurechtzukommen, oder wie sie scheitern. Sieben Frauen, von denen jede ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Träume und Sehnsüchte hat und sich auf eigene Art in der Käuflichkeit eingerichtet hat. Gemeinsam ist ihnen ihre hier nur zu verständliche Verachtung der Kunden, der Männer überhaupt. Ein Fazit, das einzusehen wäre, wenn es der Regisseurin allein um eine Milieuschilderung ginge.

Doch die begleitende Parallelhandlung macht deutlich, worum es Marleen Gorris eigentlich geht. Ein bestialischer Mörder verschleppt Frauen, kettet sie in einem Verlies auf ein Bett, um zuzusehen, wie sie einen grausamen Hungertod sterben. Die Stationen ihrer Qual hält er auf Polaroidphotos fest, die er an die dem Folterbett gegenüberliegende Wand heftet. Die Gewalt wird hier auf eine Art inszeniert wie es die Horrorspezialisten Tobe Hooper oder Wes Craven nicht perverser und beängstigender hätten tun können. Mit dem Unterschied, daß es hier einzig darum geht, den Mann als Bestie zu denunzieren. Der Mörder wird durchgehend ohne Kopf gezeigt, der Körper dieses Mannes ist Sinnbild aller Gewalt, die Frauen überhaupt angetan werden kann. Folgerichtig hat die einzige positive männliche Figur keinen Körper, sondern besteht nur aus einer Stimme in einem Bootshaus, an dem Dora auf ihrem Nachhauseweg vorbeikommt.

Der Film heißt im holländischen Original ZERBROCHENE SPIEGEL, womit auf die Schlußsequenz angespielt wird. Diane bedroht mit einem Revolver einen Kunden, den nur der Zuschauer als Mörder der Parallelhandlung erkennen kann, und zerschießt daraufhin alle Spiegel des Etablissements. Sie beseitigt die Ab-Bilder der Machtverhältnisse, damit nichts zurückbleibt, was die Frau als Objekt und Opfer zeigen kann. Dabei handelt es sich – denkt man weiter – um eine Vision von der Zerschlagung aller patriarchalisch-chauvinistischen Zeugnisse. Doch so weit ist es noch lange nicht: Der Mörder entkommt unerkannt, die gegen Frauen gerichtete Gewalt existiert weiterhin.

Männer sind Schweine. Marleen Gorris argumentiert nicht, sie polemisiert. In ihrer Welt ist Liebe solange nicht möglich, wie die Männer einen Körper haben. Nachdem sich das nicht wird ändern lassen, bleibt für die Zukunft nur Homosexualität: Diane und Dora beginnen ein neues Leben zu zweit.

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