11. Juni 1990 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Gauner gegen Gauner

Das Lied vom Laissez-faire

GAUNER GEGEN GAUNER, ein Film von Claude Zidi

Ein Film über das Laissez-faire, über durch und durch französische Tugenden also. Schon die ersten Bilder pfeifen eine kleine Pariser Melodie, tauchen hinein in das Viertel am Montmartre und genieren sich dabei nicht, Sacre-Coeur im Abendlicht zu zeigen. Und sofort fühlt man sich zu Hause in Barbès-Rochechouart, in diesem Quartier, wo auch die Kriminalität eine Form von Kleinbürgerlichkeit ist. Hier hat alles seine Ordnung, die Welt ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Man läßt einander gewähren, dadurch bleibt alles in einem überschaubaren Rahmen. Es erzählt also auch dieser Film, warum Paris die Hauptstadt unserer Träume ist.

GAUNER GEGEN GAUNER ist die Fortsetzung von DIE BESTECHLICHEN, mit dem Claude Zidi 1985 nicht nur an der Kasse, sondern auch bei der Kritik einen beachtlichen Erfolg gehabt und zwei Cesars gewonnen hatte. Im ersten Teil hatte der Polizist René seinen neuen Partner François (Thierry Lhermitte) mit Erfolg in die Kunst der Bestechlichkeit eingeführt, jetzt will dieser plötzlich Komissar und wieder ehrlich werden. Das Bistro und den Traber, die sich René am Ende von DIE BESTECHLICHEN verdient hatte, gibt es nicht mehr, vermutlich hat er sie auf der Trabrennbahn verspielt. Man kann Philippe Noiret ansehen, wie das an ihm gezehrt hat, wie ihm die liebe Gewohnheit der Bestechungsgelder zur riskanten Notwendigkeit geworden ist. Seine Gelassenheit ist der Spielsucht gewichen, die tiefen Falten unter den Augen unterstreichen den leeren Blick. Im System der Korruption ist er zum Sozialfall geworden, und auch sein Partner wendet sich immer die beiden Bestechlichen zum erstenmal ehrlich sein wollen, fliegen ihre jahrelangen Geschäfte auf.

Das Viertel läßt sie fallen, und man suspendiert sie vom Dienst. Erst als sich ihre Nachfolger als wesentlich teurer und unangenehmer entpuppen, leistet eine Gesandtschaft der Gauner Abbitte bei René und François und fleht sie an zurückzukehren. Der Fortsetzung fehlt die klare Grammatik der Gefühle aus dem Vorgänger. Die Kanten sind schärfer geworden, der Lack ist ab. Mit Claude Zidis eher unentschiedener Regie geht das nicht mehr so glatt zusammen. So entstehen Leerstellen im Fluß der Geschichte. Der Film ist nur noch amüsant, aber nicht mehr so charmant. Es gibt allerdings eine sehr schöne Szene, in der René sehr zu François‘ Verärgerung die Verfolgung eines Taschendiebs abbricht, aus dem Auto steigt, seelenruhig ein paar Treppen und Gassen entlangschlendert und dabei gelassen erläutert, warum der Dieb wann welchen Weg nehmen wird. Und als er mit seinen Erklärungen fertig ist, läuft ihnen der Verfolgte genau in die Arme. In dieser Szene hat Gauner gegen Gauner etwas von der schlafwandlerischen Sicherheit, mit der man sich nur in der Stadt der Träume bewegen kann.

(In München im Neuen Atelier).

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