22. Januar 1990 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Family Business

Am Ende löst sich der Film einfach auf: in ein Häufchen Asche, in den Wind, der es verweht, in ein irisches Grablied, das sich über die Dächer von New York hängt wie Nebel aus einer anderen Welt, und in einen Schwenk, der so sanft davonträgt aus dieser Geschichte, wie er am Anfang in sie hineingeschwebt ist.

Es gibt bei Sidney Lumet oft eine ungeheuere Zärtlichkeit der filmischen Rede, mit der er umfängt was eigentlich an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Seine am Theater geschulten Thesenfilme laufen immer Gefahr, sich aufs bloß Argumentative zu verengen. Auf den ersten Blick scheint es oft so, als hätten seine Filme nur ein Thema: Rechtsprechung in DIE ZWÖLF GESCHWORENEN, Polizeikorruption in SERPICO und PRINCE OF THE CITY, Medien in NETWORK oder Politik in POWER. Andererseits hält er seinen Blick offen genug, um hinter all den Entstellungen und Verformungen so etwas Flüchtiges wie das Gespenst der Freiheit einzufangen.

Auf eine These ließe sich auch FAMILY BUSINES leicht reduzieren. Nimm dir vom Leben, was du brauchst sagt der Film. Aber eigentlich geht es darum, daß sich drei Generationen, die im Grunde nichts gemeinsam haben, ein letztes Mal zusammenraufen, bevor es zu spät ist So eindeutig die Aussagen oft auch sein mögen bei Lumet es wirken doch immer auch im Untergrund seiner Geschichten Kräfte, die sich nicht bündeln lassen. Er erfindet einen Reichtum an Situationen und Schauplätzen, die sich keiner Bewegung unterordnen. Das gibt es bei ihm eben auch – die Flucht ins Ungewisse, diese letzte Form von Freiheit die Lumet in Amerika noch auszumachen vermag. Sein Amerika ist ein Schmelztiegel widerstrebender Traditionen, Emotionen und Bedürfnisse. Ein buntes Erbe, das sich viel zu oft einem way oflife anpaßt dessen Inhal¬te mit der Inflation seiner Formen nicht mehr Schritt halten können.

Die McMullens sind irisch-jüdisch-italienischer Abstammung, und man muß vielleicht das Original gesehen haben, um mitzukriegen, wie sich die drei Männer, Opa (Sean Connery), Vater (Dustin Hoffman) und Sohn (Matthew Broderick) schon durch die Sprache voneinander absetzen. Es führt eine Linie vom lebenslustigen Gauner-Opa Jessie über den geläuterten Biedermann Vito zum hochbegabten Stipendiaten Adam. Doch Adam weigert sich, den vorgezeichneten Weg zum Erfolg weiterzugehen. Er besinnt sich auf das Erbe seines Großvaters und steigt kurz vor dem Studienabschluß aus. Er muß nur seinen Vater ansehen und weiß, was die Konventionen, denen der sich verpflichtet hat taugen: ein amerikanischer Traum zum Einschlafen. Zum Ausbruch aus der Tradition plant Adam einen Einbruch, den er nötigenfalls auch selbst durchziehen würde. Also bleibt Jessie und Vito gar nichts anderes Übrig, als auch einzusteigen bei dem Coup. Immerhin geht es um eine Million Dollar.

Die Gangstergeschichte läßt Lumet an der langen Leine laufen, sie dient ihm nur dazu, die Familienkonflikte zuzuspitzen, im Handeln zu überprüfen, was vorher vielleicht nur Lust und Laune war. Ständig hält sich dabei der Blickwinkel, immer wieder zeigt die Spitze des Dreiecks in eine andere Richtung. Und mit der Identifikation ist es gar nicht so einfach für den Zuschauer, weil die Freiheit des einen immer auch die Freiheit der anderen erfordert.

Im Grunde gibt es keinen Weg, der die Ansprüche miteinander aussöhnt. So testet der Film reihum verschiedene Möglichkeiten, bleibt stets in der Schwebe zwischen Komödie und Tragödie, Groteske und Trauerspiel, um sich schließlich einfach aus dem Staub zu machen.

Durch diese Verweigerung wirkt FAMILY BUSINES am nachhaltigsten. Den Erwartungen ans Genre entspricht er so wenig wie den Erfordernissen des amerikanischen Traums. Ganz eigensinnig beharrt er auf seinem Widerstand, seinen Zweifeln, seinem Unbehagen. Er läßt sich vom Mainstream einfach nicht mitreißen. So viel Kraft hat der Film.

(In München im City, Royal, Maonorhaus und Veranda.)