23. März 1990 | Die Zeit | Filmkritiken, Rezension | Dead Bang & Powerplay

DEAD BANG und POWERPLAY von John Frankenheimer

Die alten Wilden

Als Jack Knowles von einem Untergebenen zu lasch gegrüßt wird, erklärt er ihm, was das Salutieren einst bedeutete: Wenn sich früher zwei Ritter auf offenem Feld begegneten, dann hoben sie die Hand zum Kopf, um entweder ihr Visier zu öffnen, was Frieden signalisierte, oder um es zu schließen, was Krieg bedeutete. DEAD BANG und POWERPLAY erzählen von zwei Männern, die mit geschlossenem Visier durch die Welt gehen. Dabei kämpfen sie eigentlich nur gegen sich selbst.

Jerry Beck ist Polizist in Los Angeles. Er lebt in Scheidung, darf seine beiden Kinder nicht mehr sehen. Auf einer Party steht er mit einem Glas in der Hand am Fenster. Als die Frau, mit der er spricht, wieder gehen will, sagt er: „Bleiben Sie heute Abend bei mir.“ Es ist Weihnachten.

Jack Knowles ist in Deutschland an der tschechischen Grenze stationiert. Mit seiner Scheidung, heißt es, sei er nicht fertig geworden. Darunter hat seine Karriere gelitten. Von einer Hochzeit im Ort geht er fort, um sich mit einer Flasche Whisky in sein Zimmer zu legen. Betrunken ruft er bei seiner ehemaligen Familie in den USA an. Es ist sein Geburtstag.

Beck und Knowles sind Profis, aber ihre Methoden sind veraltet. Was einmal richtig war, glauben sie, kann heute nicht falsch sein. Und weil sie noch Rechnungen zu begleichen haben, mit dem, was sie waren und nicht mehr sind, weil sie nie gelernt haben, mit Niederlagen zu leben, machen sie aus ihrer Arbeit einen privaten Rachefeldzug gegen die eigene Vergangenheit.

Ein Polizist ist erschossen worden in DEAD BANG. Auf der Suche nach dem Mörder kommt Jerry Beck einer weitverzweigten Organisation von Neonazis auf die Spur. Bevor sie das Nest ausheben, sagt ein Begleiter zu Beck, er würde sich besser fühlen, wenn er wüßte, daß es hier wirklich nur um einen Auftrag geht und nicht um irgendwelche Privatsachen, die Beck mit sich selbst ausfechten muß.

Ein Flüchtling ist auf der Grenze erschossen worden in POWERPLAY, Knowles hat dabei untätig zusehen müssen. Zur Vergeltung schleicht er auf eigene Faust nachts hinter den Eisernen Vorhang. Als die Sache ans Licht kommt, heißt es, er solle sich seine Feindbilder aus dem Kalten Krieg endlich abschminken. Die Armee habe hier allenfalls noch PR Aufgaben zu erfüllen, die Zeit für Heldentaten sei vorbei.

Don Johnsons verlebte und Roy Scheiders versteinerte Züge prägen das Gesicht dieser beiden Filme, aber sie sind nicht ihr Zentrum. Es geht in beiden Fällen nicht um Identifikation, sondern um Irritation. Das hat John Frankenheimers Kino schon immer ausgezeichnet, von DIE JUNGEN WILDEN (1960) bis 52 PICK UP (1987). In seinen überzeichneten Plots, die sich immer wieder um Verschwörung und Manipulation drehen, hat das Individuum selten eine Chance, der Enteignung durch die Kontrolle der Gesellschaft zu entgehen. Aus dem beinahe dokumentarischen Ansatz seiner frühen Filme entwickelten sich fast ausschließlich negative soziale Utopien, in denen Frankenheimer für die Vernichtung der Persönlichkeit selbst dort noch Szenen fand, wo die Filme an der Oberfläche von anderen Dingen handelten. Wie zum Beispiel in FRENCH CONNECTION II, wenn Gene Hackman von der Drogenmafia süchtig gemacht wird, bis nichts mehr von seinem Charakter übrig Das hat die Aufnahme seiner Filme bei der Kritik geprägt und seine Reputation auf Dauer ruiniert: diese allzu schematische Darstellung gesellschaftlicher Zusammenhänge und psychologischer Prozesse, die durch die Arbeit der Kamera oft noch verdoppelt wird. Dahinter steht das altmodische Konzept, die Einstellung des Regisseurs müsse sich auch in jeder Kameraeinstellung wiederfinden. Dabei haben viele jedoch übersehen, wie geschickt Frankenheimer in der Mise en scène das Gewicht seiner Geschichten verlagert auf die Irritationen, die sich der Geschichte nicht mehr unterordnen lassen.

Daß etwa die Frau, mit der Beck die Weihnichtsnacht im Bett verbringt, die Frau des toten Polizisten war, stellt sich zwar erst später heraus, spielt dann aber auch keine Rolle mehr. Sowenig wie die Frau erklären kann, warum sie diese Tatsache verschwiegen hat, sowenig läßt sich ausmachen, welche Rolle diese Szene für den ganzen Flm spielt. Aber sie trägt ganz erheblich zu dem Gefühl bei, das hier immer wieder alle Handlungen begleitet, daß nämlich das Zentrum des Interesses in DEAD BANG auf die Ränder hin verschoben ist, weil immer wieder Dinge passieren, die sich der Kontrolle des Helden – und des Erzählens – entziehen.

Was da auseinander- und von den Helden wegdriftet, wird für kurze Momente in langen Brennweiten notdürftig gebündelt. Der Wechsel zwischen komprimierten Perspektiven und Weitwinkelaufnahmen, die den Blick verzerren, verunsichert den Standpunkt des Betrachters und bringt Bewegung in diese Filme, wie man sie anderswo kmm noch findet. Beide Filme hat Gerry Fisher photographiert, der geniale Kameramann des späten Werks von Joseph Losey, der hier die ausgelaugte Farbigkeit von Los Angeles, die eisige Düsternis entlang des Eisernen Vorhangs und die blasse Dürre des Mittleren Westens mit jedem Bild einfängt. Ihm ist es zu verdanken, daß es in Frankenheimers dunkler Welt ohne Farben mehr gibt als nur Schwarzweißmalerei.

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