26. Februar 1993 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 26.02.1993

Was heute die Fortsetzungsfilme sind, waren in den Sechzigern die Omnibusfilme: Mehrere Regisseure improvisieren zu einem Thema, zur Liebe, zum Laster oder zu Paris. Daß diese Episodenfilme zustande kamen, lag zum einen daran, daß die Autorenfilmer damals noch an einer Front zu kämpfen glaubten, und zum anderen daran, daß die Produzenten glaubten, mehrere bekannte Regisseure bringen mehr Geld als ein bekannter Regisseur.

Omnibus

RoGoPaG ist eine Abkürzung für Rossellini, Godard, Pasolini und Gregoretti, die 1962 für den Produzenten Alfredo Bini einen Omnibusfilm machten, der jetzt täglich um 20.30 Uhr in der Lupe wiederaufgeführt wird. Godards Episode LE NOUVEAU MONDE mit Jean-Claude Brialy und Alexandra Stewart nahm viel von ALPHAVILLE vorweg, so wie Pasolinis LA RICOTTA mit Orson Welles und Laura Betti eine Art Vorstudie zu IL VANGELO war, gedreht mit einem Pancinor-Objetiv, von dem der Regisseur sagte, es lasse die Bilder ‚aufgehen wie große, leichte Brotlaibe‘. Wegen der Blasphemie dieser Christus-Phantasie wurde der Film damals in Italien verboten. ‚Als sie Pasolini verurteilt hatten‘, erinnert sich der Schauspieler Mario Cipriani, ‚fing er an zu weinen, weil er an seine Mutter dachte. Nach dem Urteil ist Pasolini aufgestanden und hat zum Staatsanwalt gesagt: ,Du verurteilst mich, weil du die Religion nicht verstehst. Ich möchte dich öffentlich über die Religion ausfragen, um zu sehen, ob du überhaupt imstande bist, mich zu verurteilen.“

1900 gegen 120

Gleichzeitig läuft heute und morgen in der Lupe um 18 Uhr Pasolinis DIE 120 TAGE VON SODOMN, zu dem Bertolucci, der damals 1900 drehte, in dem Pasolini-Band vom Wolke-Verlag eine amüsante Erinnerung hat: ‚Die Rivalität wegen meines Erfolges vom LETZTEN TANGO hat dann Gestalt angenommen in einem Fußballspiel zwischen unseren beiden Filmteams…Ich erinnere mich noch, wie Pier Paolo fünf Minuten vor Schluß, beim Stand von 6:3 für uns, das Spielfeld verließ, scheißwütend, und seine Leute anschrie: ,Ihr eitlen Narzisse, nie spielt ihr mich an!‘ Die von meinem Team brüllten: ,Neun-zehn-hundert!‘ und die von seinem ,Hun-dert-zwan-zig!“

Tashlin gegen Levinson

Heute um 21 Uhr zeigt das Filmmuseum in seiner Reihe Hollywood on Hollywood Frank Tashlins Film HOLLYWOOD OR BUST aus dem Jahr 1956 mit Dean Martin, Jerry Lewis und Anita Ekberg – ein Premake von Barry Levinsons RAIN MAN: Ein Schönling und ein Idiot fahren mit einem Auto durch Amerika, kommen nach Las Vegas, wo sie mit dem Tick des Idioten viel Geld verdienen, und landen am Ende als Freunde in Los Angeles. Der Unterschied: Tashlin hat dafür keinen Oscar bekommen.

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