10. März 1995 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 10.03.1995

Wie es der Zufall so will, ergibt sich diese Woche im Münchner Filmprogramm ein wunderbares Rendezvous zwischen zwei Filmen, die Lichtjahre voneinander entfernt enstanden sind und doch zusammengehören wie Zwillinge: Ein Dream Double Feature mit FINGERS und SCHIESSEN SIE AUF DEN PIANISTEN.

‚Frauen sind rein, zart und zerbrechlich. Frauen stehen über allem. Frauen sind überirdisch.‘ Der Satz stammt zwar von Charles Aznavour in Truffauts TIREZ SUR LE PIANISTE (1962), den die Lupe heute und morgen um 18 und 22.45 Uhr zeigt, aber Harvey Keitel könnte das genauso gesagt haben, in seiner Rolle in James Tobacks FINGERS (1978), der im Filmmuseum heute um 18 und morgen um 21 Uhr läuft. Aznavour und Keitel spielen beide Pianisten, die die Frauen so idealisieren, daß sie ihnen im realen Leben nicht gewachsen sind. Die Zärtlichkeit, die sie für sie fühlen, können sie nur am Instrument wirklich ausleben. Aber auch ihre auf die Musik gerichteten Träume scheitern, weil sie sie mit ihrem Leben nicht in Einklang bringen können. Ein aufregender Kontrast herrscht in beiden Filmen: zwischen der Fragilität, mit der die Finger über die Tasten gleiten, und der Aggressivität, mit der die Fäuste zuschlagen.

Zärtlich und brutal

FINGERS ist für Keitel die Rolle seines Lebens, in der er alles ausspielen durfte, was in ihm steckt: Gewalt und Zärtlichkeit, Großspurigkeit und Unbeholfenheit, Verklemmtheit und Zügellosigkeit, Nervosität und Ruhe. Alles. Und die ganze Zeit läuft er mit einem Cassettenrecorder herum und nervt die Leute, indem er ihn auf volle Lautstärke dreht. Und wehe, es bittet ihn jemand, leiser zu stellen. Das Filmmuseum zeigt außerdem in der Reihe über ihn: Heute um 21 Uhr Alan Rudolphs WELCOME TO L.A. (1976), morgen um 18 Uhr Ridley Scotts THE DUELLISTS (1977), am Sonntag um 18 Uhr Ettore Scolas LUCHT NACH VARENNES (1982), am Mittwoch um 18 Uhr Paul Schraders BLUE COLLAR (1978) und um 21 Uhr Bertrand Taverniers DEATH WATCH (1980).

Der Duft der Frauen

Das Arena zeigt im Spätprogramm um 22.45 Uhr die letzten Filme von Patrice Leconte. Heute DER MANN DER FRISEURE (1990), morgen und übermorgen DAS PARFUM VON YVONNE (1994) und von Montag bis Mittwoch TANGO MORTALE (1993): Immer geht es dem Franzosen dabei darum, jene Empfindungen einzufangen, die sich der Abbildung eigentlich entziehen, den Duft der Frauen, die Flüchtigkeit der Erinnerung, das süße Nichts der Liebe. Schaft er es, gibt es wunderbare Szenen, wo etwa der Mann der Friseuse Jean Rochefort unvermittelt zu arabischer Musik einen Tanz aufführt; schafft er es nicht, wird daraus ein Tango mortale.

Das Werkstattkino zeigt in seiner Reihe ‚Filmland Niederlande‘: Heute bis Sonntag um 21 Uhr Paul Ruvens HOW TO SURVIVE A BROKEN HEART (1990), Montag bis Donnerstag um 20.30 Uhr Hans Hylkemas URUG (1993), heute und morgen um 23 Uhr Dick Maas‘ FAHRSTUHL DES GRAUENS (1982) und Sonntag bis Dienstag um 23 Uhr Danniel Danniels EI ODER JOHANN, DER BÄCKER (1987). Wie heißt es immer: dropje voor dropje, kwaliteit. . .

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