07. April 1995 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 07.04.1995

Wie gefährlich Sex in den siebziger Jahren war, kann man diese Woche in der Lupe sehen. Verglichen damit geht es heute im Kino wie in einem Kloster zu.
Bis Sonntag läuft ebenda um 20 Uhr DER LETZTE TANGO IN PARIS. Von heute aus betrachtet, ist es schon erstaunlich, wieviel das Kino damals riskiert hat, und vor allem wieviele Leute das dann auch sehen wollten. Die Bereitschaft des Kinos wie des Publikums (wie auch der Kritiker), sich auf Abenteuer einzulassen, ist seither schon sichtlich zurückgegangen. Darüber wollen wir übers Wochenende alle mal nachdenken, und dann ab Montag um 20.15 Uhr in der Lupe Oshimas IM REICH DER SINNE ansehen, in dem es ans Eingemachte geht.

Später Keitel

Das Filmmuseum ist mittlerweile beim späten Keitel angelangt, der mit seiner gewaltigen körperlichen Präsenz das Epizentrum der Filme bildet. Am Freitag um 21 Uhr Abel Ferraras BAD LIEUTENANT, eine One-Man-Show, in der er sich in jeder Hinsicht entäußert. Am Freitag um 18 Uhr und am Samstag um 21 Uhr dann Quentin Tarantinos RESERVOIR DOGS, in dem er auch schon in der Produktion als Motor fungiert hat. Am Samstag um 18 Uhr THE PIANO, in dem er mit seiner Existenz für den Film bürgt, der ohne ihn vermutlich sofort in sich zusammenfallen würde. Man muß sich Holly Hunters stumme Spiele nur mal an der Seite eines anderen vorstellen. Am Mittwoch dann noch mal zwei Nebenrollen, die den Filmen ein Gewicht verleihen, das sie an anderer Stelle nicht besitzen: Um 18 Uhr John Badhams POINT OF NO RETURN und um 21 Uhr Philip Kaufmans RISING SUN.

Mittlerer Oldman

Das Arena zeigt zwei der besten Filme der letzten fünf Jahre, in denen jene Schauspieler dabei sind, denen dann im nächsten Jahrtausend Retrospektiven gewidmet werden, falls es dann noch Kinos wie das Arena gibt – und ein Publikum, das sich dafür interessiert. Von Montag bis Mittwoch läuft also im Spätprogramm Phil Joanous STATE OF GRACE in der Originalfassung, in der man Sean Penn, Ed Harris, Gary Oldman, John Turturro und Robin Wright zuhören und -sehen kann, wie sie in der New Yorker Hell’s Kitchen Freundschaft und Verrat spielen. Gary Oldman ist dabei für den Film das, was De Niro für Scorseses MEAN STREETS war, gefangen und getrieben von seinem eigenen Wahn. In Peter Medaks ROMEO IS BLEEDING spielt er dann den korrupten Cop, der von Lena Olin, Annabella Sciorra und Juliette Lewis bei lebendigem Leib aufgefressen wird. In einer wunderbaren Nebenrolle sieht man Roy Scheider, den man auch gern mal gesammelt sehen würde.

Das Werkstattkino zeigt von Montag an um 23 Uhr BILLY THE KID VS. DRACULA, ein Genre-Cocktail aus den Sechzigern, als die Genres ausgedient hatten und man glaubte, man müsse nur Western und Horror zusammenbringen, um die Attraktion zu verdoppeln. Nächste Woche läuft dann der ebenfalls von William Beaudine inszenierte JESSE JAMES MEETS FRANKENSTEIN’S DAUGHTER. Am Sonntag um 18 Uhr zeigt das Filmmuseum Hubert Pöllmanns DER LOKALPATRIOT, den man unter denselben Gesichtspunkten betrachten sollte.

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