Leoparden und andere Tiere
Die Dinge müssen sich ändern, um die gleichen zu bleiben. So sagt es der Fürst Salinas in Viscontis LEOPARD (3SAT, Donnerstag, 20.15 Uhr). Und wie immer, wenn das Kino über sich hinauswächst, könnte man sich aus diesem Film jedes Bild an die Wand nageln und jeden – aber besonders diesen – Satz hinter die Ohren schreiben. Burt Lancaster, der Luftikus des Technicolor, besitzt als Leopard dermaßen aristokratische Züge, daß man glaubt, der Adel müsse ihm im Blut liegen: ‚Ich gehöre einer abtretenden Klasse an. Die Sizilianer, seit 2 500 Jahren Kolonie, wollen Schlaf, Tod, Unbeweglichkeit. Wir waren Adler, Leoparden; an unsere Stelle treten Lämmer und Geier.‘ Wenn er dann nach der grandiosen vierzigminütigen Ball-Sequenz hinaustritt in den Morgen und im fernen Hall der Schüsse, die Garibaldis Getreuen den Garaus machen, niederkniet, dann könnte einem das Herz brechen. Und doch ist es Visconti gelungen, Beschwörung und Abgesang zugleich zu machen und zu vermitteln, daß sich die Dinge ändern müssen, um die gleichen zu bleiben.
Schlaf, Tod, Unbeweglichkeit, das ist es auch, was die Trinker suchen, diese komischen Heiligen Hollywoods. Malcolm Lowry etwa, dem der selbst dem Alkohol zugeneigte John Huston im Alter noch ein Denkmal errichtet hat. Albert Finney spielt in UNTER DEM VULKAN (ZDF, Mittwoch 0.10 Uhr) den Trinker mit jener Unausweichlichkeit und Wucht, die offenbar nur britische Schauspieler mit ihrem feinen Gespür für Etikette und Entgleisung so eindrücklich hinkriegen. Und wenn Jaqueline Bisset in der späten Blüte ihrer Schönheit ganz in Weiß aus dem Licht ins Dunkel der Kneipe tritt, dann kann man auch nüchtern glauben, sie sei die Phantasie eines Delirierenden.
Ein anderer Brite, der im Alkohol Flucht und Vergessen gesucht hat, war Richard Burton, jener Donnermime, der im Grunde nie ganz die Rollen gefunden hat, die seinem immensen Talent entsprochen hätten. Die Art und Weise, wie er damit Schindluder getrieben hat, erzählt eine ganz eigene Geschichte davon, was er im Herzen von dem Schauspielerberuf gehalten haben muß. In Vincente Minnellis DIE ALLES BEGEHREN (ORF1, Mittwoch, 10.15 Uhr) hat er seine Beziehung mit Elizabeth Taylor auf so selbstzerfleischende Art durchgespielt . Man sollte hinter der ungezügelten Hysterie immer nach dem Minnelli suchen, der mit Musicals berühmt wurde. Dann merkt man, daß auch im Chaos die Gefühle einer Choreographie folgen.