Am Sonntag wäre Josef von Sternberg 100 Jahre alt geworden. Das Filmmuseum gedenkt deshalb seiner mit einer Auswahl von drei Filmen und einem Porträt von André S. Labarthe aus der Reihe Cinéastes de notre temps, zu dem der Eintritt um 17.30 Uhr umsonst ist. ‚Gewiß‘, sagte Sternberg in seiner Autobiographie „Das Blau des Engels“ (Schirmer/Mosel), ‚ist die Entkörperlichung von Menschen zu den Schattenbildern meiner Vorstellung von ihnen kein Akt der Liebe. Es dient auch nicht gerade ,kreativer Ekstase‘, diese Menschen in einen sich ständig verändernden Rahmen zu stellen, den sie nicht sehen, oder sie zu nötigen, beziehungsweise zu üerbreden, ihre Verwirrung zu verbergen, und sie zu zwingen, den engen Richtlinien einer individuellen Sehweise zu folgen: Denn sie ist vielen fremd, die sich vor einer Kamera bewegen.‘ Zu wieviel Liebe er dennoch fähig war, kann man noch einmal sehen: Um 15 Uhr in SHANGAI EXPRESS, in dem Marlene in ein Gedicht aus Dunst und Federn verwandelt wird, um 18.30 Uhr in THE SAGA OF ANATAHAN, seinem japanischen Vermächtnis aus dem Jahr 1953, und um 21 Uhr in DER BLAUE ENGEL, dieser Geburt einer Phantasie aus dem Geist der fleischlichen Liebe.
Italienische Nächte
Das Theatiner zeigt eine Werkschau von Wolf Gaudlitz‘ sizilianischen Filmen, in denen jenes europäische Kino verwirklicht wird, von dem andere nur träumen können. Die vier Arbeiten laufen jeweils von Donnerstag bis Samstag in der Spätvorstellung, an diesem Wochenende GEZÄHLTE TAGE, eine Dokumentation über das Leben des Leoluca Orlando, und nächste Woche DIE VÄTER DES NARDINO, die Geschichte einer Männerfreundschaft mit Hilmar Thate und Turri Ferro.
Die Gedenkretrospektive zum Tode von Federico Fellini neigt sich sanft dem Ende zu. Am Freitag laufen im Filmmuseum um 18 Uhr GINGER E FRED und um 21 Uhr E LA NAVE VA, am Samstag um 18 Uhr LA VOCE DELLA LUNA und um 21 Uhr INTERVISTA, und am Montag um 21 Uhr PROVA D’ORCHESTRA und um 18 Uhr LA CITTÀ DELLE DONNE, seinem besten späten Film, nach eigener Auskunft ‚voll schweinischer Einfälle, die von einem offensichtlich unreifen Verhältnis zur Frau, von einer onanistischen Erotik zeugen; eine lange unersättliche Folge von krankhaften Phantasien, die unter Stöhnen, Seufzern, Schreien, Verrenkungen ausgelebt werden…‘
My name is Jack Ford…
Das Schönste zum Schluß: John Fords Filme aus den zumindest fürs Kino goldenen Jahren 1939 bis 1941 laufen im Filmmuseum, das zum Ende von Patalas‘ Ära offenbar noch einmal alle Register zieht: Am Dienstag um 18 Uhr TOBACCO ROAD nach Erskine Caldwell und um 21 Uhr THE LONG VOYAGE HOME nach Eugene O’Neill, und am Mittwoch um 18 Uhr THE GRAPES OF WRATH und um 21 Uhr YOUNG MR: LINCOLN, beide mit Henry Fonda, der dem amerikanischen Volk seine Stimme und seinen klaren Blick verleiht, die den Leuten verkünden, sie würden überall im Dunkeln sein, weil kein Mann eine eigene Seele habe, sondern nur ein Stück von jener großen Seele sei, die jedem gehört. Unbedingt alle ansehen.