04. September 1992 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 04.09.1992

Edgar Reitz läßt sich in einem Stadtmagazin über die Münchner Kinos aus – und kein gutes Haar an ihnen. So manches möchte er höchstpersönlich in die Luft sprengen. Zu Recht. Die Vorführqualität ist häufig unter aller Sau, Nachlässigkeiten sind an der Tagesordnung. Aber man darf nicht vergessen, daß ein schlecht vorgeführter Film im Kino immer noch besser ist als ein gut ausgestrahlter Film im Fernsehen.

Zeit und Raum

Das Arena zeigt am Samstag und Sonntag um 17 Uhr Philip Kaufmans DER STOFF, AUS DEM DIE HELDEN SIND, entstanden nach Tom Wolfes Dokumentarroman über die Anfänge der bemannten Raumfahrt. Kaufman macht daraus die Geschichte von Cowboys, die in die Lüfte gehen, weil sie am Boden längst an ihren Grenzen angelangt sind. Aber bei der Erschließung neuer Räume braucht man keine Helden, sondern Strohmänner. Und so ist das einzig wahre Abenteuer die Zeitreise, zurück in jene Ära, als Männer noch Männer waren. Sam Shepard spielt hier seine erste große mythische Rolle, Es Harris, Fred Ward, Dennis Quaid, Scott Glenn sind seine Kumpels, und Barbara Hershey ist auch dabei.

Am Dienstag und Mittwoch läuft um 22.15 Uhr im Arena Sam Peckinpahs PAT GARRETT JAGT BILLY THE KID ein Film über Helden, die unter der Last ihres Mythos müde geworden sind. Mit der Weite von Lincoln County können sie eigentlich nichts anfangen, geradezu verloren wirken sie darin. James Coburn und Kris Kristofferson spielen die Hauptrollen, Jason Robards und Bob Dylan sind auch dabei.

Berlin, Deutschland

Im Filmmuseum ist die zweite Hälfte der filmischen Deutschlandgeschichte angebrochen. Jeweils um 18 und 21 Uhr laufen am Freitag Rolf Hädrichs VERSPÄTUNG IN MARIENBORN (63) und Konrad Wolfs DER GETEILTE HIMMEL (64); am Samstag der Omnibusfilm DEUTSCHLAND IM HERBST (78) und Alexander Kluges DIE PATRIOTIN (79); am Sonntag um 15 Uhr Ulrike Ottingers COUNTDOWN (90), Herbert Achternbuschs DAS LETZTE LOCH (81) und Jan Schüttes DRACHENFUTTER (88). Ab Montag dann Berlin-Filme: 21 Uhr, Walter Ruttmanns BERLIN – SINFONIE EINER GROSSTADT (27); am Dienstag Phil Jutzis BERLIN ALEXANDERPLATZ (31) und Hans Steinhoffs HITLERJUNGE QUEX (33); am Mittwoch um 18 Uhr BERLIN (45) und Humphrey Jenings‘ A DEAFEATED PEOPLE (45) und um 21 Uhr Rossellinis DEUTSCHLAND IM JAHRE NULL (47) und am Donnerstag Michail Tschiaurelis DER FALL VON BERLIN (49).

Blut und Unschuld

Im Broadway laufen zwei frühe Filme von Martin Scorsese: 17.30 Uhr, TAXI DRIVER und um 22.30 Uhr MEAN STREETS: Im Inneren wütet die Spannung zwischen Gewalt und Reinheit, Blut und Unschuld, Glaube und Wahnsinn. Gerade im Unterschied zwischen den beiden Filmen sieht man, welche Rolle Paul Schraders Drehbuch zu TAXI DRIVERspielt. Es ist introvertierter, ritualisierter, hoffnungsloser.

Die Lupe zeigt Filme von Jim Jarmush: Freitag und Samstag DOWN BY LAW, Sonntag und Montag STRANGER THAN PARADISE und Dienstag und Mittwoch NIGHT ON EARTH – die Bewegungen umkreisen immer ein leeres Zentrum.

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