Die Dinge des Lebens und des Todes
Regisseur Claude Sautet gibt seinem Hauptdarsteller Michel Piccoli letzte Anweisungen für die Autofahrt, von der er in LES CHOSES DE LA VIE nicht mehr zurückkehren wird. Das war 1969, als der diskrete Charme der Bourgeoisie im Kino hoch im Kurs stand – als wollte sich das Bürgertum nochmal seiner selbst versichern, während allerorten der Aufstand probiert wurde. Aber Claude Sautet war immer mehr als nur ein Chronist verfeinerter französischer Lebensart – er ist ein Meister der kleinen Gesten, der zärtlichen Selbstverständlichkeiten und dessen, was man in der Liebe Alltag nennen würde. Und gerade daran ist nichts Alltägliches.
Man kann das alles jetzt nochmal überprüfen, in einer Hommage an Claude Sautet, die das Cicim im Münchner Theatiner-Kino veranstaltet. Heute Abend um 20.30 Uhr wird in Anwesenheit des Regisseurs LES CHOSES DE LA VIE gezeigt. Am Sonntag um 11 Uhr folgt MAX ET LES FERRAILLEURS, ebenfalls mit Piccoli und Romy Schneider in den Hauptrollen, und dann jeden Sonntag um dieselbe Zeit CÉSAR ET ROSALIE, UNE HISTOIRE SIMPLE, QUELQUES JOURS AVEC MOI, UN COEUR EN HIVER und NELLY ET M. ARNAUD, jedesmal in der französischen Originalfassung. Eine echte Alternative zu Croissants und Café au lait also.
Die Filme haben zumeist die denkbar einfachsten Titel, die lediglich ein paar Namen oder eine schlichte Konstellation vorgeben, so als sei das völlig ausreichend, um die Dinge in Gang zu bringen – ist es ja auch. Natürlich darf man sich von diesen vorgeblich einfachen Geschichten, von ihrer Unaufgeregtheit und Alltäglichkeit nicht täuschen lassen. In Wahrheit handeln sie von den allerkompliziertesten Beziehungen, weil die feinsten Nuancen in ihnen einen Stimmungsumschwung herbeiführen können. Man denke nur an die delikate Balance in Sautets letztem Film, zwischen Emmanuelle Béart und Michel Serrault: Nichts passiert – und doch glaubt man, die Spannung der Gefühle mit Händen fassen zu können.
So gesehen geht es natürlich immer wieder um dieselbe Geschichte: Wie schwierig es zwischen Mann und Frau ist, seine Gefühle zeigen, geschweige denn: vermitteln zu können. EIN HERZ IM WINTER etwa handelt nur davon: Wie Mißverständnisse zerstören, worüber eigentlich Einverständnis besteht. Stolz, Feigheit, Eigensinn, Schüchternheit und all die Dinge, die sich der Liebe in den Weg stellen, sind Gegenstand dieser Filme. Es gehört schon verdammt viel Ruhe und Zuversicht dazu, so gelassen an einem Thema zu stricken, ohne sich den wechselnden Zwängen des Kinos und der Moden zu beugen. Die Freundschaft und Treue zu Schauspielern, aber auch zu seinen Drehbuchautoren und Kameramännern, hat Sautet dabei sicherlich geholfen. So ist das Kino des Claude Sautet ein Familienausflug, mit allem, was dazugehört.