23. Februar 1999 | Süddeutsche Zeitung | Porträt | Terrence Malick

IM PROFIL

Terrence Malick 
 - Regisseur von DER SCHMALE GRAT 
und Gewinner der Berlinale

Zwanzig Jahre lang war er der große Unsichtbare von Hollywood. Und auch in Berlin, wo sein neuer Film DER SCHMALE GRAT den Hauptpreis der 49. Internationalen Filmfestspiele gewann, hielt sich Terrence Malick vom Rampenlicht fern. Keine Interviews, keine Photos, keine Pressekonferenz – selbst den Goldenen Bären ließ er seine Schauspieler entgegennehmen. Der scheue Malick zeigte sich nur kurz vor und nach der Vorführung seines Films und nutzte im übrigen den Aufenthalt, um Gemäldegalerien in Berlin und Weimar zu besichtigen. Ein solcher Mangel an Eitelkeit kommt in dieser Branche selten genug vor, aber die Karriere des Mannes ist selbst für Hollywood-Verhältnisse einmalig.

Terrence Malick kam 1942 in Waco, Texas, zur Welt, verbrachte seine Jugend auf Ölfeldern und bei Weizenernten, ging nach Harvard, reiste nach Deutschland, wo er Martin Heidegger getroffen und dessen Werk „Vom Wesen des Grundes” vom Deutschen ins Französische übersetzt haben soll, ehe er Harvard abschloß und ein Stipendium für Oxford gewann. Statt dessen arbeitete er als Journalist und Dozent und landete in der ersten Regieklasse des „American Film Institute”. Er arbeitete als script doctor an anderer Leute Drehbücher, lieh sich von seinem Bruder 350 000 Dollar und drehte 1972 BADLANDS, der von der Kritik mit Orson Welles Debütfilm CITIZEN KANE verglichen wurde. Fünf Jahre später folgte IN DER GLUT DES SÜDENS, an dem er zwei Jahre lang geschnitten hatte, und der noch heute als einer der schönsten Filme der siebziger Jahre gilt.

Für seinen dritten Film bekam Malick von Paramount eine Million Dollar Vorschuß, mit denen der Regisseur nach Paris ging – und verschwand. Es hieß, er arbeite an einem Ersten-Weltkriegs-Film namens Q, dessen Prolog mit der Erschöpfung der Welt beginnen sollte. Mal vermutete man ihn im Himalaya auf den Spuren des Buddhismus, mal in Texas, wo er mit einem gemieteten Team eine Sonnenfinsternis aufnehmen ließ. Malick galt als einziger Filmemacher, der aus freien Stücken dem Geschäft den Rücken gekehrt hatte.

Erst Mitte der Neunziger mehrten sich die Gerüchte eines Comebacks. Bei einer Retrospektive in Wien tauchte er sogar persönlich auf, und irgendwann stand fest, daß er James Jones’ Weltkriegsroman THE THIN RED LINE über die Schlacht um Guadalcanal verfilmen würde. Aber selbst bei den Dreharbeiten ließ er sich weder interviewen noch photographieren. Er engagierte Leute wie Nicolas Cage und lud sie wieder aus, besetzte winzige Nebenrollen mit Stars wie John Travolta, Woody Harrelson und George Clooney und unterbrach die Dreharbeiten immer wieder, um Naturaufnahmen von seltenen Vögeln zu machen. Aber dennoch schaffte es Malick, „Der schmale Grat” pünktlich und ohne Kostenüberschreitungen fertigzustellen.

Jetzt hat er den Goldenen Bären gewonnen und ist für sieben Oscars nominiert – sein Pech ist nur, daß ausgerechnet in diesem Jahr Steven Spielberg ebenfalls einen Film über den Zweiten Weltkrieg gedreht hat – und an dem SOLDAT JAMES RYAN führt bei den Oscars kein Weg vorbei.

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