30. Dezember 1995 | Focus Magazin | Porträt | Michelle Pfeiffer

Die Eisfee

Sie gilt als zerbrechlich und zart. In DANGEROUS MINDS überrascht Michelle Pfeiffer jedoch mit einer energischen One-woman-Show

Es gibt Schauspielerinnen, die lächeln, bevor sie überhaupt darum gebeten worden sind. Goldie Hawn etwa, Geena Davis oder vor allem Julia Roberts. Und dann gibt es die anderen, die erst lächeln, wenn man schon aufgegeben hat, darauf zu warten. Wenn man zum Beispiel mit ein paar Fragen sein Glück vergeblich probiert hat und gerade zu verzweifeln beginnt, da also antwortet Michelle Pfeiffer doch noch und lächelt plötzlich – ein Lächeln, das mehr in den Augen als in den Zähnen sitzt. Als hätte sie nur kurz zeigen wollen, daß sie nicht vorhat, dieses Spiel mitzumachen, nur weil es so Usus ist. Nach dem alten Motto: Wenn Sie meine Aufmerksamkeit wollen, dann tun Sie was dafür.

Als notorisch pressescheu gilt Michelle Pfeiffer: Sie hat weniger Interviews gegeben als irgendein anderer Star ihres Ranges, und bei den seltenen Malen, da sie sich doch geäußert hat, immer den Eindruck vermittelt, als sehe sie nicht allzu viel Sinn darin, einem Fremden Rede und Antwort zu stehen.

Für ihren neuen Film DANGEROUS MINDS jedoch ist sie immerhin bereit gewesen, für einen Tag nach Paris zu kommen. Vielleicht wird man, wenn man 37 ist und zwei Kinder hat, etwas nachsichtiger gegenüber den Erfordernissen des Gewerbes. Daß in Frankreich Streik ist, ihr Flugzeug drei Stunden Verspätung hat und alle Termine im Airporthotel noch kürzer als geplant ausfallen, dafür kann sie wirklich nichts.

Sie trägt einen blaukarierten Blazer, eine weiße Bluse mit Perlenkette im Ausschnitt und ist wirklich jeden Zentimeter so bezaubernd wie auf der Leinwand. Und wie fühlt man sich, der Traum so vieler Menschen zu sein? „Was soll ich sagen? Ich nehme an, das ist ein Kompliment.“ Hat sie früher selber Poster von ihren Traummännern aufgehängt? „Klar, Bobby Sherman. Ich hatte auch einen Elvis Presley, aber der hat mich immer angestarrt, also habe ich ihn wieder abgenommen.“

Sie weiß also durchaus Bescheid über die oft seltsamen Beziehungen zwischen Star und Publikum. Wie sie überhaupt auf der Leinwand den Eindruck macht, als wisse sie alles und könne den Leuten – besonders den Männern – auf den Grund ihrer Seele blicken.

Selbst in diesen Dingen erfahrene Haudegen wie Jack Nicholson oder Sean Connery haben in WOLF und DAS RUSSLAND-HAUS vor diesem durchdringenden Blick die Waffen gestreckt. Manchmal könnte man fast meinen, daß ihre stets leicht blutunterlaufenen Augen von der Anstrengung herrühren, die es kostet, wirklich alle Kraft und allen Ausdruck in diesen Blick zu legen.

Auch in DANGEROUS MINDS läuft alles über ihre Augen. Als Lehrerin einer Klasse von Jugendlichen, die keine Zukunft haben und das auch jeden spüren lassen, ist sie vor der Tafel ganz auf sich gestellt. „Das war eine ziemliche Herausforderung, mit diesen Kindern zu arbeiten. Wenn sie einen mit ihren offenen Gesichtern anstarren und darauf warten, was man tut, kann das sehr einschüchternd sein. Wenn ich am Anfang vor der Klasse so nervös wirke, dann weil ich auch wirklich nervös war.“

Tatsächlich ist diese Geschichte einer Lehrerin, die keine Chance hat, aber sie trotzdem nutzt, eine One-woman-Show. Das Klassenzimmer ist die Bühne, auf der sie alles ausspielen kann: Trauer und Wut, Verschlossenheit und Verletzlichkeit. Dennoch hat man nie das Gefühl, daß sie nur eine Show abzieht. Vielleicht liegt das daran, daß sie auf die üblichen schauspielerischen Mätzchen auch bei der Vorbereitung schon verzichtet: „Ich habe lieber Regisseure, die sagen: ,Probier“s noch mal.´ Dann strenge ich mich mehr an als bei denen, die mir mit endlosen Erklärungen zu kommen versuchen.“

Dreimal war sie schon für den Oscar nominiert, beim vierten Mal könnte es nun durchaus klappen. DANGEROUS MINDS ist das perfekte Vehikel. Und sie nutzt es mit jenem Ernst, der sie seit Jahren auszeichnet. Was ziemlich erstaunlich ist für jemanden, der anfangs in Filmen wie CHARLIE CHAN UND DER FLUCH DER DRACHENGÖTTIN oder GREASE 2 sein hübsches Gesicht hingehalten hat.

Ist sie nicht manchmal überrascht, wie weit sie es als Künstlerin gebracht hat, seit sie bei einem Schönheitswettbewerb Miss Orange County geworden ist? „Ich war nur Zweite. Aber manchmal bin ich wirklich ganz zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Das kommt ganz unerwartet, wenn ich gerade Kleider zusammenlege oder so. Aber allzuoft denke ich eigentlich nicht daran.“

Läßt man ihre Rollen Revue passieren, dann hat man den Eindruck, sie sei stets bewußt gegen die Beauty-Queen-Erwartungen angegangen. Kaum ein anderer Star ihrer Generation hat so viele übellaunige, wütende, skeptische, verbissene Parts übernommen wie sie. Pfeiffer indes meint nur: „Ich habe immer Figuren gespielt, die kämpfen müssen, um von A nach B zu kommen. Menschen, die auf große Widerstände treffen, interessieren mich.“

Hat ihr Nachwuchs die Sicht der Dinge verändert? „Ich bin lockerer. Kinder sind so rein und voller Hoffnung. Durch ihren Blick erkennt man, wie sinnlos es ist, die eigene Lage zu bejammern.“

Leidet sie denn an ihrem Los? „Früher hat mich Schauspielerei immer etwas geängstigt. Man ist dabei so verletzlich und geht an Orte, wo man nicht unbedingt hin will, wird unvorsichtig“, sagt Belle Michelle und zeigt ein letztes Mal ihr Lächeln: „Heute genieße ich diesen Prozeß mehr. Und es ist nicht mehr so schmerzhaft.“

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