19. November 1998 | Süddeutsche Zeitung | Porträt | Helmut Newton

Die süße Haut

Rendezvous der Formen: Helmut Newton als Magazin-Photograph

Er sieht sich gern als Mann, der die Frauen liebt – in Wirklichkeit geht es ihm mehr um ihre Formen. Und wenn es etwas gibt, was Helmut Newton wirklich beherrscht, dann ist es die Inszenierung dieser Formen. Nicht nur als geometrisches Spiel von Linien und Flächen, sondern vor allem als sinnliche Erfahrung, die entsteht bei der Begegnung von Haut und Welt. Und nirgends ist die Anschaulichkeit dieses Aufeinandertreffens verschiedener Oberflächen so wichtig wie in den Modemagazinen.

Wenn Newton also 1963 Françoise Sagan ganz in ihrem Jaguar XK-E verschwinden ließ, dann zeugt das auch schon von einem frühen Interesse für das Rendezvous der Formen von Körper und Karosserie, für den Kontrast zwischen dem kalten Metall und der fragilen Frau. Der wahre Sinn des Photos erschließt sich jedoch erst, wenn man weiß, daß damals in der Vogue daneben ein Text der Sagan über Sinn und Zweck von Automobilen stand.

Solche Arbeiten für die Hochglanzzeitschriften, die sogenannten „Glossies”, sind jetzt in einem Bildband erschienen: „Helmut Newton: Pages from the Glossies, Facsimiles 1956-98.” (Scalo Verlag. 544 Seiten. 176 s/w, 332 farb. Abb. , 138 Mark). Nicht mehr die Photographie allein steht hier im Mittelpunkt, sondern ihr Zusammenwirken mit den Texten, also das ganze Layout. So wie die Bilder einst erschienen sind, kann man sie hier nochmal betrachten – und auch die Texte dazu lesen. Der Band dokumentiert also nicht nur die Geschichte des Modephotographen Newton, sondern vor allem die Entwicklung des Layouts in den letzten vier Jahrzehnten – wie sich das Verhältnis von Text und Bild verschoben und wie sich die Inszenierung von Mode und Körper verändert hat.

Wenn man so will, dann hat auch dies mit der Begegnung verschiedener Formen zu tun, der mehr oder minder harten Konturen des Textbildes mit den weicheren Bildflächen. Gerade der Kontrast verschärft die stofflichen Qualitäten des einen wie des anderen. Und davon haben Helmut Newtons Bilder schon immer erzählt: Wie die grellen Farben die Tönung der Haut hervorheben; wie die eingeölten Beine einer Sonnenbadenden durch das Wasser im Pool faßbarer werden; wie ganz allgemein die weichen Rundungen des Körpers durch die kalte Inszenierung im harten Licht greifbarer werden. Je nackter die Körper, desto empfänglicher wird man für die Stofflichkeit anderer Materialien. Drastischer gesagt: Wenn in einem Bild ein Mann einer Frau an die bedeckten Brüste langt, dann wird die Vorstellung, wie sich das Kleid anfühlen mag, eher geweckt, als wenn man nur die Frau im Kleid sehen würde. Als Newton das 1975 genau so in der amerikanischen Vogue inszenierte, sei allerdings „die Hölle los gewesen”. Aber von da an, schreibt er, habe es kein Zurück mehr gegeben.

Unter den Feministinnen hat sich Newton damit keine Freundinnen gemacht, aber seine Frauen sehen nie so aus, als könnten sie sich nicht ihrer Haut erwehren. Und die Tatsache, daß gerade Frauenzeitschriften Newtons Bilder zur Illustration ihrer Verkaufszwecke benutzt haben, verweist auch nicht unbedingt auf den Mann mit der Brieftasche im Hintergrund. Der Stoff, aus dem Newtons Träume sind, war offenbar oft genug derselbe wie jener, aus dem die Couturiers ihrer Kleider geschneidert haben. So oder so würde Helmut Newton unterschreiben, was Robert Mitchum gesungen hat: „Beauty is only skin deep. ”

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