06. September 2003 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Porträt | Doris Day

Lächeln hilft sogar gegen Regen

Und man wird auch gar nicht naß dabei: Die Aufnahmen der jungen Doris Day

Was es über Doris Day zu wissen gibt, hat der begnadete Pianist und Zyniker Oscar Levant mit einem Satz auf den Punkt gebracht: „Ich kannte sie, bevor sie Jungfrau wurde.“ Tatsächlich haben die beiden 1948 in ZAUBERNÄCHTE IN RIO gespielt, bei dem Doris Day in letzter Minute für Betty Hudson eingesprungen und mit ihrem ersten Solo-Hit „It’s Magic“ gleich für den Oscar nominiert worden war. Damals war ihr Hang zur Jungfräulichkeit noch nicht ganz so stark ausgeprägt wie später, als sie in den Armen von Rock Hudson zur saubersten Blondine der Welt aufgestiegen war und kurz vor der Heiligsprechung durch den amerikanischen Hausfrauenverband stand. Das BETTGEFLÜSTER hatte kaum seinen Namen verdient, ihr Image jedoch mit einer Eisschicht überzogen, hinter der die Frau aus Fleisch und Blut vollständig erkaltete. Sie war der Gegenentwurf zur Monroe und galt in dieser Eigenschaft kurioserweise als Sexsymbol, was wohl in erster Linie ein Leben ohne Sex symbolisieren sollte. Und obwohl sie auch schon in den frühen Fünfzigern in allerlei Musicals von ihrer rundum gesunden Ausstrahlung lebte, welche die Männer zu allem möglichen ermutigen sollte, bloß nicht zu dummen Gedanken, war ihr Leben kein Zuckerschlecken.

1924 war die Tochter deutschstämmiger Eltern unter dem Namen Doris von Kappelhoff in Cincinnati zur Welt gekommen. Mit acht trennten sich ihre Eltern, mit zwölf gewann sie einen Talentwettbewerb, mit dreizehn verbrachte sie ein Jahr in einer Nervenklinik, mit vierzehn nahm sie Tanzstunden in Hollywood, und mit fünfzehn machte ein Autounfall ihre Ambitionen schon wieder zunichte. Statt dessen begann sie zu singen, benannte sich nach ihrer Lieblingsballade „Day After Day“ und zog als Sängerin durch die Lande. Mit siebzehn heiratete sie den Musiker Al Jordan, der zur Gewalt neigte, und ließ sich nach zwei Jahren kurz nach der Geburt ihres Sohnes scheiden. Fünf Jahre später heiratete sie erneut, die Ehe hielt nur ein Jahr. Ihre dritte Ehe mit ihrem Manager Marty Melcher hielt immerhin siebzehn Jahre und endete nach dessen Tod 1968 mit der Erkenntnis, daß ihr Mann ihr ganzes Vermögen durchgebracht hatte. Sie hatte zwanzig Millionen Dollar verdient und war bankrott. Es gab also durchaus ein Leben vor der Jungfräulichkeit, wahrscheinlich mehr, als ihr selbst lieb war, und man kann durchaus sagen, daß in ihren Songs mehr von diesem Leben spürbar ist als in ihren Filmen.

Wer sie nur von „Que Sera Sera“ kennt, mit dem sie in Hitchcocks MANN, DER ZUVIEL WUSSTE einen Oscar gewann, kann auf der CD „It’s Magic – The Early Years 1947-1950“ eine andere Doris Day erleben, deren Stimme durchaus auf der Höhe von Songschreibern wie Jule Styne und Sammy Cahn, Eddie Pola und George Wyle, Mack Gordon oder Jimmy Van Heusen ist. Natürlich ist sie in erster Linie fröhlich und kokett und muß mitunter aufpassen, daß sie in Songs wie „It’s a Great Feeling“ nicht die Tonleitern hinaufstapft, als handle es sich um eine Haushaltsleiter beim Frühjahrsputz. Aber vielleicht sind solche Eindrücke mehr ihrem späteren Image geschuldet als einer tatsächlichen Beschränktheit ihres Ausdrucks, denn sie ist durchaus in der Lage, mit der sophistication der Kompositionen Schritt zu halten.

Und das muß sie auch, denn das wahre Vergnügen bei dieser Kompilation liegt in den Duetten mit Leuten wie Ray Noble oder Buddy Clark, denen sie Paroli bietet, etwa wenn sie Buddys Werben „If you will marry me me me“ einen Song lang mit der Zeile „I’ll not marry you you you“ zurückweist, ehe sie sich zum Happy-End durchringen. Oder in „Save a Little Sunbeam (For a Rainy, Rainy Day)“, wo sie sich mit Ray herumschlägt, der nicht mitsingen will, weil der Text doch ganz sinnlos sei. Was solle das denn heißen: „Save a little sunbeam“? Das sei wie „Laß ein Lächeln deinen Regenschirm sein“ – er habe es versucht und sei dabei ziemlich naß geworden. Wie die starre Form der Songs stets aufgebrochen wird durch vermeintliche Improvisationen, die in Wirklichkeit einer genauso strengen Choreographie folgen, das erzählt jedesmal eine ganz eigene Geschichte. Und daß die Romantik immer wieder augenzwinkernd gebrochen wird, verstärkt ihre Wirkung eher noch.

Die Songwriter entwickelten damals in Hollywood ein besonderes Talent, ihr eigenes Metier auf die Schippe zu nehmen, sich über alles mögliche lustig zu machen, ohne die Wirkung aus den Augen zu verlieren. Im Duett „It’s Better to Conceal Than Reveal“ ist sich Doris mit Dinah Shore etwa einig, daß Verbergen besser ist als Enthüllen, und die beiden haben richtig Spaß daran, sich mit mexikanischem Akzent um ihren Einsatz zu zanken. Doris singt: Die meisten Leute würden glauben, Sängerinnen würden nicht miteinander auskommen, deshalb solle Dinah die nächste Zeile singen; die lehnt jedoch ab. Darauf Doris: „Dinah, das ist doch deine Zeile.“ „Aber Doris, du singst doch so gut.“ „Nein, Dinah, die Welt wartet darauf, dich zu hören.“ So geht das hin und her, bis das Orchester ungeduldig wird.

Aber auch ohne Partner kommt Doris Day gut zurecht. Der schönste Song vom Duo Pola/Wyle zeichnet musikalisch nach, was er besingt: „I Didn’t Slip – I Wasn’t Pushed – I Fell“, wo Doris, vom samtenen Sound der Mellomen umschmeichelt, am Ende ganz weich fällt: in die Arme ihres Liebsten. Oder wie der Amerikaner sagt: I fell in love.

Doris Day, It’s Magic. The Early Years 1947-1950. Naxos Nostalgia 8.120669

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