30. Oktober 1995 | Focus Magazin | Porträt | Antonio Banderas

Mucho Macho

Zwischen Hollywoods netten Jungs und den Muskelprotzen ist noch Platz für einen Mann voller Sinnlichkeit: Antonio Banderas

Als Madonna von ihrer Freundin Sandra Bernhard gefragt wurde, wen sie als nächstes kennenlernen möchte, mußte sie lange nachdenken. Sie kenne schon alle, sagte sie. Aber Sandra ließ nicht locker: „Wer würde dich wirklich umhauen? Nur einen Namen.“ Madonna grübelte eine Weile, dann fiel ihr jemand ein: „Antonio Banderas. Der Typ aus den Almodovar-Filmen.“

Die Szene stammt aus der Dokumentation „In Bed With Madonna“, und sie war eine Art Vorbote für das, was folgen sollte. Seit Madonna für den Spanier geschwärmt hat, sind noch einige andere Frauen auf den Geschmack gekommen. Antonio Banderas ist der erste Spanier, der in Hollywood den Durchbruch geschafft hat.

Nicht nur in den Klatschspalten kann man ihn gerade zusammen mit seiner neuen Liebe Melanie Griffith sehen. Im Kino taucht er nun als Stallones Gegenspieler in „Assassins“ auf, demnächst als „Desperado“, danach mit Rebecca De Mornay in „Spiel mit dem Feuer“ und mit Melanie Griffith und Daryl Hannah in „Two Much“. Und schließlich als Che Guevara in der Musical-Verfilmung „Evita“ – an der Seite von Madonna.

„Wir werden eine tolle Zeit zusammen haben“, meint Banderas, „rein beruflich.“ Ob Madonna das auch so sieht? Bei ihrem ersten Angriff hatte sie, wie man im Dokumentarfilm sah, dann doch den Rückzug angetreten.

Bei einer Party in Madrid mußte sie feststellen, daß der Mann, den sie seit zwei Jahren dringend kennenlernen wollte, verheiratet ist. „Sehr“ fügte Banderas in seinem starken spanischen Akzent hinzu und lachte. Woraufhin Madonna auf die Toilette verschwand, um aus Enttäuschung – wie sie sich ausdrückte – ihren Kopf in die Kloschüssel zu stecken.

Und dann rächte sie sich, indem sie vor laufender Kamera an seiner Männlichkeit zweifelte. Aber man konnte ihr ansehen, daß sie das selbst nicht im Ernst glaubte.

Eine Menge Leute haben sich seither gefragt, was es mit Banderas´ Männlichkeit auf sich hat, was sein Geheimnis ist. Vielleicht ist es genau das: Er nimmt seine Männlichkeit nicht so wichtig, muß sie nicht um jeden Preis beweisen.

Er spielte den schwulen Freund von Tom Hanks in „Philadelphia“, einen ziemlich androgynen Fürsten der Finsternis in „Interview mit einem Vampir“ und einen in den Tod verliebten Trompeter in „Mambo Kings“. David Frankel, sein Regisseur in „Miami Rhapsody“, wo Banderas als Krankenpfleger Mutter und Tochter zugleich verführt, meint: „Er nimmt seine Sexualität nicht so ernst. Er trägt an seinem Image als Macho nicht besonders schwer.“

Richtig ist, daß der 1960 im südspanischen Malaga geborene Sohn eines Regierungsangestellten und einer Lehrerin beim Publikum in eine Lücke stoßen konnte. Zwischen den Männern mit guten Absichten wie Tom Hanks oder Tom Cruise und den Männern mit großen Muskeln wie Schwarzenegger oder Stallone ist noch ein Platz frei für einen Mann mit gutem Aussehen und großen Gefühlen. Diese Rolle wäre Antonio Banderas auf den Leib geschneidert.

Er hätte es zweifellos verdient. Nicht nur, weil er sich schon für Schauspielerei interessiert hat, als seine Altersgenossen alle Rockmusiker werden wollten, sondern weil er riskiert hat, noch einmal bei Null anzufangen. Banderas war in Spanien ein Star, der schon über 30 Filme auf dem Buckel hatte, als er 1991 die Hauptrolle in der amerikanischen Produktion „Mambo Kings“ übernahm, ohne ein Wort Englisch zu sprechen.

Er hat sich seine Sätze rein phonetisch eingeprägt und dabei so einen Eindruck hinterlassen, daß er gleich für „Philadelphia“ verpflichtet wurde. Lieber eine kleine Rolle in einem großen Film, sagte er sich, als umgekehrt.

Er lernte Englisch, damit er auch verstand, was er zu sagen hatte. Juliet Tylor, die Besetzungsagentin für „Interview mit einem Vampir“, sagt: „Manche Ausländer bewältigen zwar das Englisch, aber verlieren dabei ihr Herz. Sie kriegen ihre eigentlichen Qualitäten auf englisch einfach nicht rüber. Antonio hat dieses Problem nicht.“ Er selbst sagt, auf spanisch rede er lauter.

Vielleicht ist es dieser mit schüchternem Lächeln vorgebrachte sanfte Tonfall, der ihn so anziehend macht. Und so wie seine Stimme sich auf dünnem Eis zu bewegen scheint, so wohnt auch seiner Schönheit bei aller Kraft etwas Zerbrechliches inne.

In „Assassins“ spielt er einen Killer und scheint Spaß daran zu haben, seiner Virilität freien Lauf zu lassen und noch dicker aufzutragen als Sylvester Stallone. Sein Regisseur Robert Rodriguez, der in „Desperado“ selbst dick aufträgt, sagt über ihn: „Als ich Antonio zum erstenmal sah, konnte ich kaum glauben, daß noch keiner seine Energie und Leidenschaft für den Actionfilm gesehen hat. Ich hatte einen extrem erfahrenen Schauspieler, aber es wirkte, als käme er von einem anderen Planeten, weil seine Präsenz noch gar nicht genutzt worden war.“

Tatsächlich schafft es Banderas als einsamer Rächer, seine großkalibrige Waffe mit einer Anmut zu halten wie andere ein Musikinstrument.

Mehr noch als durch diese beiden Filme hat Banderas allerdings von sich reden gemacht durch die Liaison mit seiner Kollegin Melanie Griffith. Sie ließ sich zum zweitenmal von Don Johnson scheiden; er trennte sich nach acht Jahren Ehe von seiner Frau, der spanischen Schauspielerin Ana Leza. Die spanische Presse beschimpfte ihn dafür als Ehebrecher, aber aus seiner Liebe macht er um so weniger einen Hehl.

Er hat Melanie bei den Dreharbeiten zu „Two Much“ kennengelernt: „Es ging ganz langsam. Und als die Produktion beendet war, sagten wir uns: ,Laß uns die Sache vergessen, das war sicher nur eine Illusion wie alles beim Film.´ Aber das war es nicht. Wir brauchen einander.“

Bei der Promotiontour für seine beiden Filme mußte er sich zwangsläufig diesbezügliche Fragen gefallen lassen, und obwohl seine Agentin dieses Thema ausklammern wollte, stand er mit geradezu rührendem Ernst zu seiner neuen Liebe. Nur wenn die Fragen zu persönlich und intim wurden, bat er den Interviewer: „Ich würde gern beim nächstenmal darüber reden. Können Sie das akzeptieren?“ Manchmal kann Offenheit auch ziemlich entwaffnend sein.

Antonio Banderas ist ohnehin weder durch Affären noch durch unangenehme Fragen aufzuhalten. Steven Spielberg möchte ihn in „Zorro“ besetzen, und auch sonst spricht alles dafür, daß er der erste Spanier sein wird, dessen Stern über Hollywood aufgeht. Das wachsende Latino-Publikum tut auch seinen Teil dazu.

„In Spanien“, sagt Banderas, „ist man stolz auf mich, weil man in mir eine Art Fußballstar sieht. Ich muß das Spiel für mein Land gewinnen. Es ist so, als würden sie sagen: ,Antonio, mach uns keine Schande.““

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