27. April 1995 | Süddeutsche Zeitung | Nachruf | Ginger Rogers

Sex und Klasse

Zum Tod von Ginger Rogers

Er gab ihr Klasse, sie gab ihm Sex. Das soll Katharine Hepburn über Ginger Rogers und Fred Astaire gesagt haben, und besser kann man es kaum ausdrücken. Was Ginger Rogers auszeichnete, sieht man am besten im Vergleich mit Freds späteren Partnerinnen. Eleanor Powell war vielleicht begabter, Rita Hayworth schöner, Cyd Charisse eleganter, Leslie Caron klassischer, Audrey Hepburn lieblicher, aber Ginger Rogers war einfach besser für Fred Astaire. Mit ihrem Partner in zehn Filmen verband sie eine Chemie, deren Zusammensetzung eines jener Rätsel ist, die das Kino in seinen lichten Momenten befeuern. Irgendwie waren die beiden einander gewachsen. Sie verlieh dem in die Perfektion verliebten Jahrhundertgenie Jugend, Schwerkraft und eben Sex. Sie schaffte es, ihn von seinen Wolken herunterzulocken, in denen er sich zu verlieren drohte.

Ginger Rogers sei der Mond in Fred Astaires sonnigem Universum gewesen, hat es einmal geheißen. NIGHT AND DAY hieß auch ihr schönstes Stück, das war die getanzte Geschichte einer Verführung, ein Reigen des Lockens und Zierens, ein kaum verhohlener Beischlaf auf glänzendem Parkett.

Die eigensinnige Blondine mit den hellen Augen, die ihre Überspanntheiten Lügen straften, hatte in den Filmen immer eine Neigung zu überstürzten Heiraten, die sie alsbald bereute. Das war im wirklichen Leben nicht anders, wo sie fünf Ehen hinter sich brachte, weil das ihrer Meinung nach die einzig zivilisierte Lebensart ist. Die ehrgeizige Frau mit der noch ehrgeizigeren Mutter aus Independence in Missouri bewies 1940 mit einem Oscar für KITTY FOYLE nicht nur, daß es auch ohne Astaire geht, sondern war fünf Jahre später auch noch einer der zehn bestverdienenden Menschen Amerikas. Dafür hat sie auch gearbeitet ‚bis die Füße bluteten‘. Im Kino merkt man davon nichts. Da tanzte sie cheek to cheek, Wange an Wange mit Fred Astaire direkt in den Himmel hinein. Nach Lage der Dinge ist das auch genau der richtige Ort, um nun da weiterzumachen, wo sie einst aufgehört haben.

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