27. Oktober 1993 | Süddeutsche Zeitung | Nachruf | Vincent Price

Der Connaisseur

Vincent Price gestorben

Hollywood, hat Vincent Price einmal gesagt, sei nichts als eine Ansammlung von Typen mit hübschen Gesichtern und breiten Schultern, die keine zwei Cent für die höheren Werte übrig haben. Er selbst war da ganz anders. In den Vierzigern führte er mit seinem Kollegen George Macready eine Galerie in Beverly Hills, war ein angesehener Kenner und Sammler moderner Kunst und hat nicht nur das Buch „The Treasury of American Art“ veröffentlicht, sondern vor allem auch eine Reihe bekannter Kochbücher. Und wenn er anfangs noch zwischen Kino und Theater geschwankt hatte, so machten ihm als Sammler die Verdienstmöglichkeiten bei letzterem die Entscheidung leicht.

Am Beginn seiner Karriere stand ein Film mit einem angemessen eleganten und extravaganten Titel, das war 1938 SERVICE DE LUXE. Als Charmeur fing der hochgewachsene Mann mit den sanften Stimme an, um dann nach und nach seine Anziehungskraft für den eigenen Vorteil zu mißbrauchen: LAURA, WEISSER OLEANDER oder DIE DREI MUSKELTIERE. Mit HOUSE OF WAX begann Price seinen Absteig in jene Regionen, von denen er selbst sagte: „Ich habe das Gefühl, daß ich das düstere Unterbewußte der ganzen menschlichen Rasse verkörpere. Aber so krank das auch klingen mag, die Vorstellung gefällt mir.“

Der Südstaatler Vincent Price verkörperte besser als irgendwer sonst das, was man einen Connaisseur nennt. Und wie bei jedem Genußmenschen war ihm auch das Laster nicht fremd, jene geheimen Gelüste, in denen sich das Erlesene mit dem Verbotenen mischt. Darum war er der ideale Poesche Held, den er in den Sechziger Jahren unzählige Male bei Roger Corman gespielt hat: Ein Edelmann, der sich ganz den eigenen Phantasien hingibt, ihnen Ruf und Verstand opfert, um sie bis zum letzten Zug auszukosten. Sein Spiel trug diesen Vorlieben Rechnung: Er kostete die Momente aus, zog sie in die Länge, gab dem Lächeln Zeit, die Lippen zu umspielen, ehe er es wieder hinter seiner sardonischen Maske verschwinden ließ. Zeitlebens blieb er dem Neuen aufgeschlossen und hat seine geistigen Enkel unterstützt, wo er konnte. Er war die Stimme in Michael Jacksons Video Thriller, trat mit Alice Cooper in WELCOME TO MY NIGHTMARE auf und spielte als letzte Rolle den Erfinder in Tim Burtons EDWARD MIT DEN SCGERENHÄNDEN. Sein Traum vom Ruhm war es, sich einmal wie Mickey Mouse zu fühlen, eine Figur in einem Cartoon von Walt Disney, ein Markenzeichen zu sein. Er hat es geschafft. Gestern ist Vincent Price im Alter von 82 Jahren in seinem Haus in den Sunset Hills gestorben.

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