04. September 1993 | Süddeutsche Zeitung | Glosse, Leben | Sport & Spaß

Schluß mit lustig - zur Lage des Humors (VII): Warum Sport kein Spaß ist

Ja, das ist richtig

Daß ein Haushaltsexperte einen Traditionsverein in den Ruin treibt, wäre eigentlich ein ganz guter Witz gewesen. Leider ist uns dabei das Lachen vergangen. Was nicht weiter schlimm ist, weil es beim Fußball ohnehin nichts zum Lachen gibt.

Entgegen anderslautenden Behauptungen läßt sich zweifelsfrei feststellen: Sport ist nicht lustig. War es nie. Wird es auch nie sein. Muß es ja auch nicht. Wie kommt es dann, daß sich auf jeder Skihütte die Leute dauernd so aufführen, als habe gerade jemand einen guten Witz gemacht? Ist es die Höhenluft oder was? Nein. Es liegt an jener besonders unglückseligen Verbindung von Sport und Spaß, bei der unterm Strich ‚Gaudi‘ rauskommt. ‚Gaudi‘ ist jene alpenländische Vergnügung, die sich nur durch anfallartig auftretenden Sauerstoffmangel in größeren Höhen oder verrauchten Bierzelten erklären läßt. Gaudi ist folglich nicht Humor. Gaudi ist nicht lustig.

‚Gaudi‘ führt indes seit jeher zu der irrtümlichen Annahme, zwischen Sport und Spaß bestehe ein wie auch immer gearteter Zusammenhang. Dabei ist das Gegenteil natürlich richtig. Zwischen beiden Fronten herrscht Krieg. Wie erklärt sich dann die Liebe nachweislich lustiger Kabarettisten zum Sport? Warum haben sich Leute wie Werner Schneyder, Dieter Hildebrand oder Sammy Drechsel mit diesem Thema befaßt? Sie haben ganz einfach erkannt, daß es im Sport genauso wenig zu lachen gibt wie in der Politik. Man findet in jedem Stadion das gleiche Maß an Beschränktheit wie im Bundestag. Und der Bundestrainer klingt in seinen Interviews ohnehin längst wie der Bundeskanzler.

Wer allerdings glaubt, früher sei in der Hinsicht alles besser gewesen, irrt sich gewaltig. Schlimmer noch: Er beteiligt sich an jenem Gaudikartell, das Sport und Spaß auf Teufel komm raus verknüpfen will. Die Gaudiburschen(!) Sepp Maier, Radi Radenkovic oder Tchik Cajkovski waren nie so witzig, wie man uns heute weismachen möchte. Sie waren allerdings zugegebenermaßen auch nie so humorlos wie die heutigen Wortführer im Fußball. Lothar Matthäus etwa kann man fragen, was man will, er wird stets dasselbe antworten: ‚Ja, das ist richtig . . .‘ ‚Lothar, wie haben Sie das Spiel gesehen?‘ – ‚Ja, das ist richtig.‘

Diese Wortgewandheit hat seine Kollegen bundesweit offenbar nachhaltig beeindruckt. Es gibt mittlerweile ganze Jadasistrichtig-Schulen, die mit den Wiehabensiegesehen-Reportern ums letzte Wort kämpfen. In Wirklichkeit wollen sie natürlich sagen: ‚Ja, das ist richtig, daß sie mir so eine saublöde Frage stellen, weil ich dann meine Fresse lange genug in die Kamera halten kann, um meine Sponsoren davon zu überzeugen, daß ihr Geld sinnvoll investiert ist.‘
Ja, das ist richtig, daß wir beim Fußball geheult und getobt, gejammert und gebrüllt haben. Aber gelacht haben wir nie. Muß man ja auch nicht. Fußball ist eine ernste Angelegenheit. Aber hin und wieder? Ein klitzekleiner Witz? Nichts. Seit das Privatfernsehen den Spielern bis ins ‚Entmüdungsbecken‘ folgt, um ‚ein kurzes Statement zum Spiel‘ zu erhalten, wird die allseits gute Laune zur Qual. Wobei den Fernsehreportern die Humorlosigkeit mindestens so im Blut liegt wie den Fußballern. Wir sagen nur: Ernst Huberty.

Wie immer kann auch hier der ordnungsgemäß schlecht gelaunte Klaus Augenthaler durchaus als Vorbild gelten. Als man ihn nach einem 1:0 der Bayern zum Spiel befragte, sagte er: ‚Das Beste an der ersten Halbzeit war das Ergebnis. Das Beste an der zweiten Halbzeit war auch das Ergebnis.‘ Knapp. Klar. Philosophie. Ja, das ist richtig.

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