06. Juli 1995 | Süddeutsche Zeitung | Bericht | Hollywood-Gagen

Der 20-Millionen-Dollar-Mann

Die Hollywood-Stars fordern immer höhere Gagen - und kriegen sie auch

Hollywood hat sich mal wieder selbst überboten: Für seinen nächsten Film CABLE GUY soll Jim Carrey von Columbia/ TriStar 20 Millionen Dollar bekommen. Dazu, heißt es, eine 15prozentige Beteiligung an den Einnahmen, was leicht nochmal die gleiche Summe bedeuten könnte. So oder so freuen sich alle, ein gutes Geschäft getätigt zu haben. Und im Zweifelsfall tun sie das völlig zurecht.

Jim Carrey hat hintereinander in AcE VENTURA, DIE MASKE und DUMM UND DÜMMER Hauptrollen gespielt, und jeder dieser Filme hat in den USA über 100 Millionen Dollar eingespielt. In BATMAN FOREVER spielt er zwar als Riddler nur eine Nebenrolle, der Erfolg wird Carrey aber dennoch auch gutgeschrieben. Mit vier Hits in Folge ist Jim Carrey in diesem unsicheren Geschäft das, was einer sicheren Investition am nächsten kommt. Und dafür ist Hollywood bereit, beinahe jeden Betrag zu zahlen.

Gegen gute Geschichten, gute Schauspieler und gute Regisseure hat man auch in Hollywood nichts, aber unterm Strich sind sie nicht viel wert. Denn es geht darum, sich auf einem Markt durchzusetzen, in dem nur selten Zeit bleibt, darauf zu warten, bis sich die Qualität eines Films herumgesprochen hat. In diesem Verdrängungswettbewerb muß möglichst schnell möglichst viel eingenommen werden. Filme, die sich nicht schon am ersten Wochenende durchsetzen, gehen da in der Regel unter. Denn eine Woche später drängen schon wieder neue Filme auf den Markt. Deshalb suchen alle nach Projekten, bei denen jeder auf einen Blick begreift, was ihn erwartet.

Auf diesem Markt hat nur noch eine Chance, was sich auch vermarkten läßt: Fortsetzungsfilme, Bestsellerverfilmungen, Starvehikel. Ob STIRB LANGSAM oder BATMAN, John Grisham oder Arnold Schwarzenegger – jeder weiß, was ihn erwartet. Mehr Worte sind nicht nötig – wie bei Coca-Cola. Man muß sich über die Vermittlung dieser Filme keine Gedanken mehr machen, sondern nur noch dafür sorgen, mit der Werbung mehr präsent als die Konkurrenz zu sein. Das kostet dann nochmal 20, 30, 40 Millionen Dollar.

Wer ein Projekt hat, das weder auf einem Bestseller basiert, noch an einen Erfolg anknüpft, ist auf Stars angewiesen. Besonders die unabhängigen Produktionen, die anders als die großen Studios das Geld nicht selbst vorschießen können, sondern darauf angewiesen sind, die Dreharbeiten durch Vorverkäufe zu finanzieren. Sie brauchen große Namen noch dringender als die Studios und müssen auch mehr zahlen, um die Stars zu kriegen. Vor allem Carolco hat mit dieser Taktik in den achtziger Jahren Erfolg gehabt, indem sie Stallone und Schwarzenegger mit bis dahin unerhörten Summen geködert haben. Ihre Rechnung ging so lange auf, wie ihre Filme auch tatsächlich Erfolg hatten. Weil aber auch Stars nicht immer für Erfolge garantieren können, ging es irgendwann bergab.

Jeder Star hat seine Zeit. Denn einerseits ist das Publikum scharf auf bekannte Gesichter, will aber andererseits auch immer wieder neue Gesichter. Und es will schon gar nicht bekannte Gesichter in neuen Rollen. Manch einer war daraufhin weg vom Fenster, und nur wenige schaffen ein Comeback. Aber immer wieder gibt es jenen Moment, wo man den Eindruck hat, ein bestimmter Star könne machen, was er will, und alle wollen es sehen. Und der Mann der Stunde ist nun eben Jim Carrey.

Die 20 Millionen für ihn sind auch deshalb eine gute Investition, weil seine Komödien, verglichen mit den Vehikeln von Action-Stars, billig sind. Seine Filme kosten um die 40 Millionen Dollar, die von Schwarzenegger oder Stallone sind unter 100 Millionen kaum mehr zu machen. Dazu kommt, daß für CABLE GUY bereits ein Starttermin im nächsten Sommer feststeht. Savoy Pictures etwa hat Stallone im Dezember auch 20 Millionen geboten, aber das Projekt muß erst noch entwickelt werden. In einer Zeit, in der viele Deals in Hollywood kaum mehr als Absichtserklärungen sind, muß man für ein gesichertes Projekt wie CABLE GUY eben noch mehr zahlen.

Ein weiteren Grund für die neuerliche Gagen-Explosion sehen viele in der Tatsache, daß mittlerweile auch die im Schnitt weniger zugkräftigen weiblichen Stars über zehn Millionen bekommen. Julia Roberts verdient mit MARY REILLY 12 Millionen, Demi Moore mit STRIP TEASE 12,5 Millionen Dollar. Das hat in dieser immer noch von Männern dominierten Branche sofort dazu geführt, daß die männlichen Stars mehr verlangt und auch bekommen haben. Robin Williams kriegt für JUMANJI 15 Millionen, Bruce Willis für Walter Hills GUNDOWN 16,5 Millionen und Stallone für DAYLIGHT 17,5 Millionen Dollar.

Man kann davon ausgehen, daß nun auch Arnold Schwarzenegger, Tom Cruise, Mel Gibson und Harrison Ford 18 Millionen und mehr verlangen werden. Vor einigen Jahren hat der Drehbuchautor William Goldman geunkt, eine Million sei die Summe, die man einem Star zahlt, den man nicht haben will. Bald kann man sagen, daß man für zehn Millionen die Leute verpflichtet, die eigentlich nur zweite Wahl sind. Den Rekord hält jedoch, nach allem, was man weiß, immer noch Jack Nicholson. Mit seiner Rolle als Joker im ersten BATMAN hat er über 50 Millionen Dollar verdient, weil er prozentual am Einspielergebnis beteiligt war.

Die Losung für Hollywoods Zukunft lautet also: Die Filme werden dumm und dümmer, die Gagen aber hoch und höher.

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