15. Dezember 1986 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone

Schrille Lacher übers Schreckliche

Man stelle sich vor, eine Frau wird entführtund der Ehemann will nicht zahlen. Ein gräßli­cher Gedanke – arme Entführer. Auch der Nachlaß (von einer halben Million auf 10 000 Dollar) kann Mr. Stone nicht umstimmen, denn er ist heilfroh, die lästige Mordarbeit gratis abgenom­men zu bekommen. Er und natürlich seine Ge­liebte sind hinter dem Erbe her. Und das harm­lose Kidnapperpärchen, das keiner Fliege etwas zuleide tun könnte, bleibt auf seinem Opfer sitzen. Mehr noch, Mrs. Stone hat Haare Zähnen und schikaniert das dumme junge Paar, wo und wie’s nur geht.

Was Sie schon immer über Entführungen wissen wollten – aber bisher nicht zu fragen wagten. Guter Geschmack war für die Gebrüder Zucker und Jim Abrahams noch nie ein Thema.

Verkehrte Welt? Nein, es wird lediglich der Spieß umgedreht, sonst bleibt alles beim alten. Gerade weil die Regeln, nach denen Welt und Film funktionieren, streng eingehalten werden, kann der Blödsinn besonders prächtig blühen. So konventionell geht es hier sogar zu, daß ein Videoband, auf dem statt eines Mordes irrtümli­cherweise etwas ganz anders zu sehen ist, eine Menge Unschuldiger in die Bredouille bringt. Dass die scheinbar Unschuldigen in Wirklichkeit die wahren Schuldigen sind, zeigt wie streng diese Gesellschaft organisiert ist. Nur dort kann der Zufall solch verheerende Folgen zeitigen.

Die Villa der Stones sieht aus, als sei dort Fer­and Leger im Delirium der Pinsel durchgegan­gen. Bei Zucker-Abrahams-Zucker (ZAZ) sind die Reichen verkommener, die Polizisten bulliger und das junge Glück unbedarfter als anderswo.

Das Regie-Team vertraut auf die lauten Töne, die schrillen Lacher aus Erfahrung: KENTUCKY FRIED MOVIE und AIRPKANE wurden Lieblingsfilme. Ver­mutlich, weil sie ihre Themen suchen, wo sich jeder auskennt. In der Werbung und den Serien des Fernsehens. Da offenbart sich der Horror des Alltäglichen, die Obszönität des Banalen. In DIE UNGLAUBLICHE ENTFÜHRUNG gehen ZAZ noch weiter und zeigen, wie sich in der Wiederholung des Schrecklichen das Lachhafte versteckt wie die beliebige Reproduzierbarkeit der Welt durchs Fernsehen aus dem Erschütternden einen running gag macht. Da müßte es dann heißen: Was Sie schon immer sagen wollten – aber bis­her nicht zu denken wagten.

(In München im Mathäser, Sonnen- und Marmorhaus.)

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