29. Oktober 1998 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Elizabeth

Späte Jungfrau

ELIZABETH von Shekhar Kapur

Meistens erzählt das Kino, wie Mädchen zur Frau erweckt werden – hier kann man sehen, wie eine Frau sich zur Jungfrau verpuppt. Dies ist die Bewegung des Films: Wie aus dem rosigen Mädchen mit dem fliegenden feuerroten Haar im letzten Bild eine gespenstisch weiße Königin wird, die so aussieht, als sei ein Schmetterling in seinen Kokon zurückgeschlüpft. Das nennt man dann Staatsräson.

Der Inder Shekhar Kapur hat schon mit bANDIT QUEEN einen interessanten Film über Frauen und Macht gedreht, jetzt hat er das Leben von Elizabeth I. opulent verfilmt und festgestellt, daß mehr Leben in ihr steckte, als Kino und Historie bislang wahrhaben wollten. In den gut zwei Dutzend Auftritten, die die Tochter von Heinrich VIII. und Anne Boleyn in der Filmgeschichte hatte, war Elizabeth in der Regel nur die böse, herzlose Gegenspielerin von Maria Stuart. Aber nach Sarah Bernhardt, Bette Davis, Jean Simmons, Agnes Moorehead, Glenda Jackson oder Maria Koppenhöfer (1940 in Carl Froehlichs DAS HERZ DER KÖNIGIN) kommt nun die Australierin Cate Blanchett und führt vor, warum Elizabeth wurde, wie sie war. Wie sie ihr Herz verlor und das Blut ihr in den Adern gefror.

Eine Schar von prominenten und brillanten Schauspielern macht der Dame den Hof, aber bei alledem ist Kapur stets mehr am geometrischen Arrangement interessiert. Höfische Rituale sind vor allem eine Sache des Designs, und auch die Intrigen mehr optisches Spektakel als erzählerische Notwendigkeit. Man sieht, wie sich ein Schicksal vollzieht, aber man hat den Eindruck, daß das Leben schon aus der Geschichte entwichen ist, ehe die Schneeprinzessin zur eisernen Königin erstarrt. Aber der Attraktivität des Films tut das keinen Abbruch.

ELIZABETH, GB 1998 – Regie: Shekhar Kapur. Buch: Michael Hirst. Kamera: Remi Adefarasin. Produktionsdesign: John Myhre. Schnitt: Jill Bilcock. Musik: David Hirschfelder. Darsteller: Cate Blanchett, Geoffrey Rush, Christopher Eccleston, Joseph Fiennes, Richard Attenborough, James Frain, Fanny Ardant, Vincent Cassel, Eric Cantona, John Gielgud. Verleih: Polygram. 124 Minuten.

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mailadresse wird nicht öffentlich angezeigt. Pflichtfelder sind mit * markiert. Mit Absenden Ihres Kommentars werden Ihre Einträge in unserer Datenbank gespeichert. Weitere Informationen finden Sie in unserer » Datenschutzerklärung


2 × vier =