25. September 1990 | Filmkritiken, Rezension | Cadillac Man

Um Kopf und Kragen

Roger Donaldsons Film CADILLAC MAN mit Robin Williams

Bei seiner ersten Ankunft vor zwanzig Jahren in New York, erzählt Roger Donaldson in der Zeitschrift Empire, ist er mit dem Taxi durch Queens gefahren. Plötzlich hat er mitansehen müssen, wie ein Mann vom Dach fiel. Etwas Schrecklicheres habe er noch nie erlebt. Sein Fahrer jedoch war davon völlig unbeeindruckt geblieben. Der hatte nur deswegen gehupt, geschwitzt und geflucht, weil er durch den Vorfall in einen Stau geraten war. Seit dieser Zeit, behauptet Donaldson, habe er einen Film in Queens drehen wollen.

In den Filmen des Neuseeländers Donaldson liegen das Leben und der Tod näher beieinander als anderswo. In MARIE – EINE WAHRE GESCHICHTE vollzieht sich Sissy Spacecks Aufstieg im Schatten der Krankheit eines ihrer Kinder. In NO WAY OUT haben sich Kevin Kostner und Sean Young gerade in ihr Glück eingelebt, da wird sie nach einem Viertel des Films umgebracht. In COCKTAIL erzählt Bryan Brown dem verliebten Tom Cruise immer, es gehe nicht darum, die große Liebe, sondern darum, eine reiche Frau zu finden. Das gelingt ihm auch, und dann bringt er sich um. Diese Filme erzählen von Verlockung und Verheißung und davon, daß es im Paradies nichts umsonst gibt.

CADILLAC MAN beginnt mit einem langen Flug über einen Friedhof in Queens, an dessen Ende der Blick auf einen Trauerzug trifft, der in der größten Hitze mit einem Motorschaden liegengeblieben ist, Zufällig kommt Joey O’Brien vorbei, für den das Autoverkaufen Beruf und Berufung zugleich ist. Und tatsächlich bringt er es fertig, der Trauergemeinschaft zu erzählen, mit einem Cadillac wäre das nicht passiert. und der Witwe seine Visitenkarte in die Hand zu drücken. Erwartungsgemäß stößt er dabei auf keine allzu große Begeisterung, aber Joey kann einfach nicht anders: Verkaufen ist sein Leben.

Wie man sich verkauft, in jeder Hinsicht, das ist häufig das Thema bei Donaldson: Wie in der Politik, der Liebe und dem Beruf Einfluß genommen wird durch Inszenierung. Und wie man darüber seine Seele verliert, Die Menschen leben auf Kredit, und irgendwann werden sie zur Kasse gebeten, Donaldson forciert diese Bewegung, er treibt seine Schulden immer schneller ein als im amerikanischen Kino sonst üblich. Kaum eine Geschichte, die die einmal eingeschlagene Richtung beibehält. Der Höhepunkt kommt früh, danach geht es nur noch darum zu retten, was zu retten ist.

Joey hat eine Pechsträhne. Wenn er nicht gekündigt werden will, muß er an einem Tag fünfzehn Autos verkaufen. Er könnte es vielleicht sogar schaffen, wenn er nicht eine Ex-Frau, eine anspruchsvolle Geliebte, eine Menge Schulden und einen Hang zum Chaos hätte. Und das alles kommt gerade dann zusammen, als er gerade mehrere Kunden kurz vor dem Vertragsabschluß hat. Und weil das ohnehin nicht Joeys Tag ist, taucht auch noch der rasend eifersüchtige Liebhaber einer Kollegin auf und nimmt, mit einem Gewehr und einer Bombe versehen, den ganzen Laden als Geiseln. Plötzlich sieht Joey eine Chance, allen Schuldnern zu entfliehen.

Wenn es darum geht, sich um Kopf und Kragen zu reden, ist Robin Williams die Idealbesetzung. Um ihn dreht sich auch der ganze Film. Und Donaldsons geschicktester Schachzug dabei ist es, sich weniger für das Können des Sprücheklopfers als für die darunterliegende Verzweiflung zu interessieren. Er treibt Joey in dieser Geschichte so weit, daß er angesichts des Geiselnehmers (Tim Robbins) wirklich darauf angewiesen ist, nichts Falsches zu sagen. Jedes Wort zählt, und auf einmal ist die Wahrheit seine letzte Rettung. Das ist für einen Film, in dem es ums Verkaufen geht, fast schon geschäftsschädigend.

(In München im Arri, City, Karlstor und Royal.)

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